Interview | Ach schwul dann magst du doch rosa? das AStA Schwulen-Referat (1/2)

28.10.2015
Freizeit, Studigruppen
fm

„Das mit der Sexualität ist wie mit der Augenfarbe. Du kannst dir nicht aussuchen, ob du grüne oder braune Augen hast. Du wirst damit geboren“, Micha (AStA-Schwulen Referent). In einem Interview mit dem AStA Schwulen-Referats der JGU erzählen uns die Referenten Christoph (27), Steven (24) und Micha (24) warum es wichtig ist, die Gesellschaft über Homosexualität aufzuklären und wie ihre Planung für das WiSe 2015/2016 ausschaut.

In den vergangenen Jahren haben Homosexuelle viele Rechte zugesprochen bekommen. Ihr selbst schreibt auf eurer Website, dass trotz der Aufweichung veralteter Normen und der schrittweise erfolgenden Emanzipation von Männern, noch immer vielschichtige Vorurteile und heftige Anfeindungen durch die Gesellschaft stattfinden. Wie stark ist ein diskriminierendes Verhalten durch Mitstudentinnen und –studenten sowie durch Lehrkräfte an der JGU vertreten?

Micha: Wir wissen, dass es Personen gibt, die sich diskriminiert fühlen und dass die Situation allemal nicht perfekt ist. Deswegen sind wir auch dafür da, um Leuten, die sich diskriminiert fühlen, ein offenes Ohr zu bieten, denn wir sind – so pathetisch es auch klingt – das Sprachrohr der Schwulen und bisexuellen Männer der JGU. Was aber auffällig ist, ist tatsächlich eine Art passive Homophobie. Beispielsweise werden oft Veranstaltungsplakate zum Thema Homosexualität abgerissen oder verunstaltet. Der Prozentsatz der abgerissenen Plakate dieser Art ist deutlich höher als der von allgemeinen Veranstaltungsplakaten.

Die Diskriminierung durch Lehrkräfte ist in Mainz kein Thema

Steven: Es steht außer Frage, dass sich der gesellschaftliche Umgang mit dem Thema Homosexualität gebessert hat. Allerdings ist auch immer ein Unterschied zwischen Städten und kleinen Vororten oder Dörfern zu erkennen. Dadurch, dass Mainz eher eine „Großstadt“ ist, sind die Menschen hier auch sehr viel offener was Homosexualität angeht und haben weniger Berührungsängste mit dem Thema als Menschen, die in kleineren Vororten leben. Dennoch gibt es auffallend viele Kleinigkeiten im Sprachgebrauch oder Umgang mit der Frage der Homosexualität. Beispielsweise gibt es Kommilitonen, die sich in Gesprächen über Homosexualität positiv äußern, im nächsten Satz aber explizit erwähnen, dass sie nicht schwul seien. Daran erkennt man, dass der Versuch, Empathie mit Homosexuellen zu entwickeln, da ist, dennoch äußern sich die meisten bewusst im nächsten Satz distanzierend, denn Homosexualität ist in der Gesellschaft immer noch negativ behaftet.

Christoph: Allgemein kann man noch sagen, dass die Uni ein großer Gegensatz zum Schulsystem ist. Zum Beispiel hat die JGU ein Diversitätsprogramm gestartet und möchte ein Diversitätszertifikat erhalten,  das bedeutet die Uni möchte sich nachhaltig im positiven Sinne profilieren und ein guter Studienstandort sein. In Bezug darauf öffnet sich die JGU der Vielfalt der Menschen und gestaltet das Universitätsleben auch dementsprechend. Daher ist Diskriminierung durch Lehrkräfte hier kein Thema. Wir sind hier alle erwachsen. Latente Homophobie kenne ich vielleicht eher, wenn man zum Unisport geht und dann so Sprüche unter Kommilitonen auftauchen wie „Eeeh bist du schwul oder was?!“. Das Schulsystem ist im Gegensatz heteronormativ und geschlechternormativ geprägt. 

Christoph, du hast gerade das Schulsystem mit dem Universitätssystem verglichen. Plant ihr auch Veranstaltungen in Schulen oder andere Aktionen, um Schüler und Lehrer für das Thema Homosexualität zu sensibilisieren?

Micha (grinsend): Das ist einer meiner Aufgabenbereiche. Gemeinsam mit dem AlleFrauen*referat stellen wir die Koordination des Projekts SchLAu Mainz. SchLAu steht für Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung und ist bundesweit organisiert. Wir gehen an Schulen und klären mit einem peer-to-peer-Ansatz die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte über schwul lesbisch Bi Trans * auf, und stellen den Erstkontakt zu Homosexuellen, Bisexuellen und Trans* her, in dem wir Workshops mit den Schülerinnen und Schülern durchführen und unsere Coming-Out Geschichten erzählen. Diese Aufklärungsarbeit ist für uns sehr wichtig, denn durch die Empirie ist bekannt, dass Homophobie daher rührt, dass man Homosexuelle nicht kennt. SchLAu versucht genau dieser Unwissenheit entgegenzuwirken.Und woran liegt es, dass Diskriminierung an sexuell anders Orientierten stattfindet?

Christoph: Die Unwissenheit führt zu Vorurteilen und lässt Menschen eine Distanz zu dieser Thematik einnehmen. 

Ich habe in Mainz die Erfahrung gemacht, dass viele der Studienanfängerinnen und –anfänger aus kleineren Orten kommen und oft noch die alten klassischen Rollenbilder – was machen Jungs, was machen Mädchen – im Kopf haben. Ohne es wertend zu meinen, es sind meist einfache Leute, die die weite Welt noch nicht so kennen und in Berührung mit sexuell anders orientierten Menschen gekommen sind. Deswegen erleben sie in größeren Städten wie Mainz zum ersten Mal was Gesellschaft überhaupt ausmacht und was es für eine Vielfalt gibt. Die JGU Mainz finde ich im Vergleich zu anderen Universitäten verhältnismäßig offen. Die Studierenden hier kommen in Kontakt mit Homosexuellen und durch die offene Universitätskultur der JGU lernen die Studierenden eben schnell ihre Vorurteile abzulegen, wirken immer interessiert, wenn man als Schwulenreferent mit ihnen spricht, viele nehmen an den Schwulenuniparties teil und schließen Freundschaften mit sexuell anders orientierten Mitstudierenden. 

Bemühungen gegen die Unwissenheit

Das SchLAu-Projekt richtet sich zum Beispiel an Schulkinder, die noch deutlich jünger sind, und unsere Generation hat das ja selber noch gar nicht in der Schule gehabt. Das heißt, es ist auch eine Art Generationenwechsel, der jetzt stattfindet. Vielleicht in zehn bis fünfzehn Jahren haben wir dann Studis, die SchLAu schon kennen und noch offener mit dieser Thematik umgehen, unabhängig von ihrer eigenen Einstellung. Ich denke, durch die Arbeit, die wir sowohl an der Uni als auch an den Schulen machen, bewirken wir sehr viel in der Gesellschaft. Natürlich können wir alteingesessene Einstellungen von Menschen nicht komplett brechen, vor allem nicht von denen, die aus einer älteren Generation stammen, und sie daran hindern, diskriminierende Sprüche und Verhaltensweisen an den Tag zu bringen, dennoch können wir die jüngeren Generationen und unsere Mitstudentinnen und -studenten aufklären und ihnen ein anderes Weltbild mitgeben.

Den Rest des Interviews gibt's in Teil 2!

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