Interview | 70 Jahre JGU: Ein Gespräch mit unserem Unipräsidenten

12.12.2016
Studium

Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) feiert das 70-jährige Jubiläum ihrer Wiedereröffnung. Ein guter Anlass, um mit Unipräsident Prof. Dr. Krausch auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre zurückzuschauen, aber auch einen Blick in die Zukunft der Uni zu werfen.

Zum Jubiläumsjahr haben wir den Präsidenten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu einem Interview getroffen. Dabei ging es unter anderem um die bauliche Situation auf dem Campus, Profilbildung in der Forschung und das Thema E-Learning. 

Außerdem haben wir mit Professor Krausch auch ein bisschen über persönlichere Themen gesprochen – was er den ganzen Tag so macht und wie er als alleinerziehender Vater Familie und Job vereinbart, erfahrt ihr in Teil 2 unseres Interviews

Das Interview ist in Kooperation mit Campusradio Mainz entstanden. Das ganze Gespräch zum Anhören gibt es hier.

CM: 70 Jahre JGU: Gibt es eine Veranstaltung, auf die Sie sich im Jubiläumsjahr besonders gefreut haben? 

Prof. Dr. Krausch: Mir hat schon der Festakt zur Eröffnung in der Rheingoldhalle sehr gut gefallen. Und dann hatten wir in diesem Jahr sowohl die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit ihrer Mitgliederversammlung als auch die Hochschulrektorenkonferenz mit deren Mitgliederversammlung zu Gast auf dem Gutenberg-Campus. Das bot die Gelegenheit, den Studien- und Wissenschaftsstandort Mainz bundesweit zu präsentieren. 

Wie hat sich die JGU in 70 Jahren entwickelt?

Man muss sich vor Augen führen, wie das losging, 1946. Eine zerstörte Kaserne, außerhalb von Mainz, mit einer Handvoll Professoren und nicht viel mehr Studentinnen und Studenten. Die Studierenden haben damals am Aufbau des Campus mitgearbeitet. So sind die Anfänge des Botanischen Gartens etwa durch Studierende gemacht worden, die auf diese Weise ihr Studium bezahlt haben. Es war ein sehr enges Miteinander der Studierenden und Lehrenden.

Seither hat sich die JGU zu einer der 15 größten Universitäten in Deutschland entwickelt. Sie hat sich fachlich ausgedehnt zu einer klassischen Volluniversität, mit so ziemlich allem, was es an Disziplinen gibt.

Was hat sich in der Universitätslandschaft insgesamt geändert?

Die Öffnung der Hochschulen in den 1960er-, 1970er-Jahren hat dazu geführt, dass seit dieser Zeit viel mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen. Heute studieren mehr als 50 Prozent eines Altersjahrgangs.

Wo hapert es Ihrer Meinung nach noch?

Wir haben eine Baustelle im Wortsinn – das ist die bauliche Situation des Campus. Über Jahrzehnte ist seitens des Landes als Eigentümer recht wenig in den Bauunterhalt investiert worden. Im Jahr 2005 wurde dann ein großes Programm aufgelegt, aus dem Ersatzbauten hier auf dem Campus geschaffen wurden, zum Beispiel das Georg Forster-Gebäude.

Wir haben aktuell aber immer noch mehr als 20 Gebäude, die älter als 40 Jahre sind. Bei der Zentralbibliothek sehen wir Ersatzbedarf, beim Philosophicum und dem Hochhaus der früheren Naturwissenschaftlichen Fakultät haben wir zumindest Sanierungsbedarf. Obwohl das Land schon viele hundert Millionen Euro investiert hat, ist der Bedarf weiterhin hoch und im Augenblick, mit Blick auf die Schuldenbremse, sehr schwer zu bedienen.

Wird es in Ihrer Amtszeit noch einen Ersatz für die Bibliothek geben?

Wir haben immer gesagt, dass für die Zentralbibliothek ein Neubau einer Sanierung aus zwei Gründen vorzuziehen ist. Erstens sehen Bibliotheken heutzutage einfach anders aus, haben andere Funktionalitäten als in den 1960er-Jahren. Und würden wir die Bibliothek sanieren, hätten wir mindestens zwei bis drei Jahre keine Zentralbibliothek auf dem Campus. Die alte Bibliothek soll so lange stehen bleiben, bis der Neubau fertig ist. Das ist aus organisatorischen Gründen für die Studierenden der bessere Weg.

Meine Amtszeit endet im März 2019, das sind weniger als 3 Jahre. In so einer Zeit bekommen Sie ein Projekt dieser Größenordnung nicht gestemmt. Ich würde mir wünschen, dass wir weiterkommen bei der Frage: Gibt es hier eine neue Bibliothek und wie wird sie finanziert? Ein Bibliotheksneubau kostet zwischen 60 und 90 Millionen Euro.

Dabei ist der Bauplatz das geringste Problem. [ANM: Die neue Bibliothek soll laut dem Präsidenten auf dem Gelände der alten Chemiegebäude zwischen Philosophicum und Muschel entstehen.] Das Problem ist schlicht und ergreifend die Frage: Kann das Land das Geld zur Verfügung stellen?

Wie hat sich die Uni in Ihrer 10-jährigen Amtszeit entwickelt?

Als ich kam, ist mir aufgefallen, dass die Universität ihr Licht immer ein bisschen unter den Scheffel stellte. Die JGU war damals von der Studierendenzahl her die siebtgrößte Universität in Deutschland. Und ich hatte den Eindruck, man war sich dieser Größe und damit auch der Bedeutung weder innerhalb der Universität bewusst, noch war sich die Stadt Mainz bewusst, dass wir nicht einfach irgendeine Uni sind. 

Meines Erachtens hat die Universität in den vergangenen Jahren sowohl innerhalb der Hochschule als auch in der Stadt und in der Folge dann auch in der Republik an Selbstbewusstsein und Sichtbarkeit gewonnen. Wir haben bereits im Jahr 2008 alle an einen Tisch gebracht, die in dieser Stadt Wissenschaft betreiben, die Hochschulen, Forschungsinstitute, aber auch die forschenden Unternehmen, die forschenden Museen der Stadt, und haben die Mainzer Wissenschaftsallianz gegründet. Das hat schon mal die Wahrnehmung des Wissenschaftsstandorts Mainz erhöht. Hier sind 20.000 Menschen, die von Forschung und Wissenschaft leben. Bei rund 200.000 Einwohnern ist das eine Menge.

Später haben wir über die Mainzer Wissenschaftsallianz gemeinsam mit der Stadt Mainz den Titel “Stadt der Wissenschaft 2011“ in einem bundesweiten Wettbewerb errungen. Wir waren ein Jahr lang die Stadt der Wissenschaft, das hat zur Sichtbarkeit der Universität merklich beigetragen.

Was hat sich in der Forschung getan?

Innerhalb der Universität haben wir im Bereich der Forschung eine sehr klare Profilbildung betrieben. Man kann nicht in allen Bereichen international spitze sein – das können wir uns schlicht nicht leisten, bei endlichen Ressourcen. Deshalb haben wir geschaut, in welchen Bereichen wir besonderes Potenzial sehen und haben dann auch gezielt in diese Bereiche investiert. Das hat die Landesregierung im Rahmen der Forschungsinitiative Rheinland-Pfalz unterstützt. In der Folge ist es uns gelungen, mit dem Exzellenzcluster PRISMA und der Exzellenz-Graduiertenschule MAINZ in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zu bestehen. Wir waren sogar in der Endrunde um den Titel einer Exzellenzuniversität. So hat sich die JGU in verschiedener Weise auf die Landkarte der forschungsstarken deutschen Universitäten vorgearbeitet.

Was sagen Sie zum Thema E-Learning?

E-Learning ist ein zusätzliches Instrument des Studierens und der Lehre geworden. Der anfängliche Hype um MOOCS (ANM.: Massive Open Online Courses), diese Idee, dass alle Studierenden nur noch zuhause vor dem Rechner oder Fernseher sitzen und sich die Vorlesungen aus Harvard und Princeton anschauen, hat sich so nicht realisiert.

Gleichwohl wird die moderne Lehre aber sehr wohl verschiedene Lehr-, Lern- und Präsentationsformen miteinander kombinieren, Stichwort Blended Learning (ANM.: Integriertes Lernen, eine Kombination aus Präsenzveranstaltungen und E-Learning). E-Learning wird im Sinne der Flexibilisierung des Studiums eine wichtige Rolle spielen. Generell wird das Studium individueller werden, weil auch die Studierendenschaft heterogener wird.

In fünf Jahren wird die Uni 75. Was soll da passieren?

Ich hoffe, dass wir zum 75. Geburtstag der JGU eine neue Zentralbibliothek einweihen können. Das wäre recht sportlich. Und ich wünsche der Universität, dass wir im Baugeschäft insgesamt ein Stück vorangekommen sind.

Ansonsten sehe ich die Universität an ihrem 75. Geburtstag vermutlich mit etwas weniger "klassischen" Studierenden. Die Grenzen zwischen dem Masterstudium und dem, was wir heute als “wissenschaftliche Weiterbildung“ bezeichnen, also das Studieren aus dem Beruf heraus bis nach dem Berufsleben oder berufsbegleitend, werden weiter verschwimmen.

Teil 2 des Interviews findet ihr hier.

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