Rund 150 Teilnehmer:innen versammelten sich am Mittwoch auf dem Hauptbahnhofsvorplatz in Mainz. Neben den verschiedenen Organisator:innen der Mainzer ASten, des Wohnheimparlaments und der Wohnheimvertretungen der Studierendenwerke erschienen zahlreiche Studierende, die alle das gleiche Ziel verfolgen: Aufmerksam machen auf die hohen Mieten der Wohnheime.
Der graue, düstere Himmel und das bedeckte Wetter unterstrichen die Stimmung der Protestierenden, die selbstgestalteten Schilder drückten die Unzufriedenheit der Teilnehmer:innen über die Höhe der Mieten aus. Zudem machten die Reden der Organisator:innen, die gleich zu Beginn des Protestes auf dem Bahnhofsplatz stattfanden, den Unmut deutlich.
Die Demonstration stellt den Höhepunkt der AStA-Wohnraumkampagne dar, die vom 10. Oktober noch bis zum 30. November 2019 läuft und Teil der bundesweiten Aktion "Lernen am Limit" ist. Ziel der Kampagne ist es, auf die schwierige Wohnsituation der Studierenden aufmerksam zu machen und gegen die überdurchschnittlich hohen Mieten zu demonstrieren.
Gefordert werden bezahlbarer Wohnraum und mehr Unterstützung durch das Land, zum Beispiel durch einen höheren Zuschuss zu den Neu- und Umbaukosten für die Wohnheime des Studierendenwerks Mainz. Diese Kosten müssen bisher zum Teil durch die Mieten der Studierenden abgedeckt werden. "Das Land soll studentisches Wohnen wieder mehr unterstützen. [...] Rheinland-Pfalz soll aktiv werden", findet Matthias Geßler, Vorsitzender des Wohnheimparlaments.
Bereits vor der Protestaktion am vergangenen Mittwoch fand ein Vortrag von Konstantin Korn über Wohnraumpolitik und Gentrifizierung an der Universität statt. Eine Online-Umfrage und eine Petition, die noch bis zum 2. Dezember 2019 online ist, begleiten die Kampagne ebenfalls und sollen Betroffene dabei unterstützen, die Problematik publik zu machen.
Auch der Vizepräsident des Wohnheimparlaments Umid Mohammed berichtete über die ständigen Mieterhöhungen seit seinem Einzug in Weisenau vor vier Jahren. Damals habe die Miete noch 260 bis 270 Euro betragen und sei seitdem stetig gestiegen. Diese stetige Mieterhöhung sei für "mehr schlecht als recht sanierte Zimmer eine nicht mehr erträgliche Ungerechtigkeit. Das können und das wollen wir uns nicht länger gefallen lassen", so Umid. In keiner deutschen Stadt seien die Mieten in öffentlichen Studierendenwohnheimen so teuer wie in Mainz. Selbst Frankfurt oder München seien in dieser Hinsicht deutlich bezahlbarer und es herrsche diesbezüglich "nicht so ein großer Missstand wie in Mainz".
Zuletzt betont er noch einmal die Wichtigkeit der Wohnheime für das Zusammenleben der unterschiedlichen Studierenden: "Menschen mit den verschiedensten Hintergründen [...] treffen in den Wohnheimen aufeinander. Sie leben, sie lernen, sie feiern miteinander." Mainz brauche diese Wohnheime, v.a. aber brauche Mainz "bezahlbare Wohnheime".
Dass Mainz insbesondere für Studierende über zu wenig bezahlbaren Wohnraum verfügt, bestätigen auch andere Demonstrationsteilnehmenden: Auf die Frage von Matthias Geßler, wer alles in einem Wohnheim wohne, meldeten sich die meisten. Doch auf die Frage hin, wer seine Miete mit dem BAföG-Satz bezahlen könne, gehen die Hände wieder nach unten.
Auch Ann-Kathrin Grohs vom AStA der Hochschule Mainz kritisiert die hohen Mieten und fordert bezahlbares Wohnen: "Wir müssen googlen, wie hoch die Lebenshaltungskosten sind", empört sie sich und bezieht sich damit auf das Problem, dass durch die hohen Mieten die Attraktivität von Mainz als Studierendenstadt schwinde: "Mainz wird immer unattraktiver."
Hinzu komme nach Grohs außerdem, dass die Gesellschaft immer mehr von den Studierenden erwarte: "Gute Noten, freiwillige Praktika, Werkstudentenjobs, Auslandssemester und damit der Lebenslauf perfekt ist, bitte auch noch ein Ehrenamt." Ob dort noch Zeit für ein Sozialleben oder Schlaf sei, beantwortet die Vizepräsidentin wie folgt: "Wir haben alle kein Sozialleben. Schlaf? Kennt keiner von uns mehr."
Bildung sei mittlerweile, so Ann-Kathrin Grohs weiterhin, auch eine Frage des Geldes, "nicht nur in Ländern wie Amerika". Als faire Chance sehe sie dies nicht und appelliert schließlich an die Landesregierung: "Auch an dich, liebes Rheinland-Pfalz: Hör auf [...], deine Studierenden zu verprellen und hör auf, uns zu einem unmenschlichen Arbeitspensum zu zwingen." Das Motto "Arbeiten, um zu leben" sei eher ein "Arbeiten, um zu wohnen", und das sei nicht hinnehmbar.
Bevor die Demonstrierenden aufbrechen, werden noch die Schlachtrufe geübt. Mit "Wir wollen demonstrieren, für alle, die studieren, Mieten runter, Mieten runter" und "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Kohle klaut" ziehen die Studierenden anschließend los. Vom Hauptbahnhof aus geht es über den Münster-, Schiller- und Gutenbergplatz bis zum Finanzministerium am Ernst-Ludwig-Platz.
Immer wieder schauen die Passanten zu der Gruppe, manche filmen die Vorbeiziehenden. Besitzer:innen kommen aus ihren Läden heraus und schauen zu. Autos, Busse und Bahnen müssen die Fahrten teilweise kurz unterbrechen. Die vielen bunten Protestschilder und Plakate machen zusätzlich auf die Teilnehmer:innen aufmerksam: "Meine Adresse: Unter der Brücke 3. Danke Miete!" oder "Wir fordern Betten in den Unibibs, wohnen kann ich mir eh nicht leisten" sind Beispiele für die kreativen Sprüche der Studierenden. Auch Schilder mit dem Hashtag der Kampagne "Lernen am Limit" sind zu sehen. "Mehr Aufmerksamkeit auf das Thema" und "mehr Zuschüsse" fordern die Teilnehmer, wie z. B. auch Selma und Marie, die Publizistik bzw. Geografie studieren: "Die Mieten sind zu hoch!"
Vor dem Finanzministerium angekommen, spricht Elias Langer von der AG Miete zu den Studierenden. Gerade, wenn die Eltern keine finanzielle Hilfe stellen können, "reicht die Unterstützung nicht aus". Besonders beim BAföG sei eine Chancengleichheit nicht gegeben: "Wir wollen, dass jeder den gleichen, fairen Zugang zu Bildung hat."
Laut einer Information des Studierendenwerks, so Langer weiter, wären die Mieten zudem deutlich günstiger, würde das Land die Kredite des Neu- bzw. Umbaus der Studierendenwerke Mainz übernehmen. Die Situation der Wohnheime und der Miete seien für Rheinland-Pfalz jedoch kein Thema, kritisiert er.
"Wir wollen nicht nur Antworten, wir wollen Lösungen", fordert Langer und weist zusammen mit den anderen Organisator:innen auf die Petition hin, die die Wohnraumkampagne begleitet und die man noch bis zum 2. Dezember unterzeichnen kann. Mit dem Ziel, das Problem durch mehr Aufmerksamkeit hoffentlich auch im Landtag bald diskutieren zu können, findet die Demonstration ihr Ende. Zum Abschluss laden die Veranstalter:innen noch zur Social Party im "Schon Schön" in Mainz am Abend ein: "Kommt schon, wir feiern für Mieten", sagt Ann-Kathrin Grohs, woraufhin einer der Teilnehmenden scherzend antwortet: "Das können wir uns nicht leisten!"
Danach löst sich die Menge langsam auf, vereinzelt bleiben noch ein paar und sprechen miteinander. "Die Demo war besser als erwartet", zieht Elias sein Fazit zur Wohnraumdemo. "Wir waren laut und haben darauf aufmerksam gemacht. Wir haben auf jeden Fall Druck gemacht."
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