Hausarbeiten abschaffen?

01.07.2017
Studium
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Der Schulpädagoge Christoph Tipker hat eine klare Meinung zum Thema Hausarbeiten: Abschaffen! Und er ist nicht der Einzige, der sich um Alternativen bemüht.

Den meisten Studierenden graust es schon zu Beginn des Semesters vor der anstehenden Hausarbeit. Stundenlange Bibliotheksaufenthalte, die ständige Angst, falsch zitiert zu haben und dann der Endspurt zum Abgabetermin. Aber auch für Dozenten ist die Hausarbeit nicht immer ein Vergnügen. Sie verbringen Stunden mit Lesen und Korrigieren in ihren Büros. Warum also diese Qualen?

Mittel zum Zweck 

Diese Frage stellte sich auch Christoph Tipker von der Technischen Universität Braunschweig und schaffte die Hausarbeit in seinen Kursen schlichtweg ab. In einem Artikel auf Spiegel Online schreibt er, dass die Hausarbeit im späten 18. Jahrhundert als eine Art Aufnahmeritual für Seminare diente. Der Student sollte sich so neue Erkenntnisse aneignen und sein Fachwissen erweitern. 

Das ist natürlich auch heute noch wünschenswert für das Schreiben einer Hausarbeit, doch die Realität sieht häufig anders aus. Die meisten Studierenden würden sich krampfhaft auf das Einhalten aller Vorgaben konzentrieren, ohne dabei Neues zu behandeln, so Tipker. Hauptsache, man hat es hinter sich gebracht und kann sich danach auf Wichtigeres konzentrieren.

Rezensionen oder Lerntagebücher als Alternative?

Der Schulpädagoge schlägt als Alternativen das Verfassen von Rezensionen wichtiger Fachliteratur oder das Führen von Lerntagebüchern vor. Hier legen die Studierenden fest, was sie erreichen wollen und nehmen sich bis zu fünf Sitzungen heraus, die sie dann mit Hilfe von selbst ausgesuchter Literatur nacharbeiten. Zum Schluss werden die Ergebnisse auf maximal zwei Seiten zusammengefasst - ein Kontrastprogramm zur wesentlich umfangreicheren Hausarbeit.

Am Ende des Semesters stellt jeder Studi sein persönliches Fazit vor. Dadurch soll eine Diskussion entstehen, die, so Tipker, wertvoller und gewinnbringender sei. 

Wikipedia statt Hausarbeit

Ziel der Hausarbeit ist die Vorbereitung auf das wissenschaftliche Arbeiten - dabei bleibt kaum ein Studi in der Wissenschaft. Dieser Tatsache sind sich Frederike Elias, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Soziologie, und Christian Vater, Philosophiedozent, an der Universität Heidelberg, bewusst geworden. 

Ihre Idee: Die Wahl zwischen einem selbstverfassten Wikipedia-Eintrag und einer Hausarbeit als Leistungsnachweis. Denn auch für die Online-Enzyklopädie müsse sich der Studierende mit dem aktuellen Forschungsstand befassen und relevante bzw. irrelevante Informationen abwägen, so Elias gegenüber Spiegel Online. Ein Manko am Wikipedia-Eintrag sei jedoch, dass die Studierenden nicht die Möglichkeit hätten, sich eine eigene Meinung zu erarbeiten.

Erika Thomalla, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität Berlin, betont zudem, dass Studierende sich durch das Schreiben von Hausarbeiten Kenntnisse aneignen, die auch außerhalb der Wissenschaft hilfreich seien. 

Auch für Dozierende eine Qual?  

Ein Professor der Universität Potsdam erwies sich als besonders korrekturfaul: Er habe die Hausarbeit seiner Studenten offensichtlich nicht vollständig gelesen, berichtete eine ehemalige Studentin auf Spiegel Online. In einem Gespräch habe sie mitbekommen, wie ein Kommilitone seinen Professor entlarvte. Er klebte ein Haar an zwei Seiten seiner Hausarbeit, um zu testen, ob dieser die Seiten aufschlagen würde. Da das Haar bei der Rückgabe noch immer festklebte, sah er sich in seiner Annahme bestätigt: Der Professor hatte die Hausarbeit nicht ganz gelesen - obwohl er sie mit 1,7 bewertete. 

Bei dieser Alternative hatte sich jedoch nur der Dozent Arbeit und Zeit gespart. Der Student wusste im Nachhinein nicht einmal, was er hätte besser machen können.

Was sagen Mainzer Studis?

Und wie stehen die Studis der Uni Mainz zum Thema Hausarbeit abschaffen? Wir haben uns auf dem Campus umgehört und das Ergebnis war eindeutig: Die Hausarbeit soll bleiben! 

Sie bringe einen großen Lernfaktor mit sich, finden die Studis, mit denen wir gesprochen haben. Anders als eine Klausur schaffe das wissenschaftliche Arbeiten ein tieferes Verständnis für das Thema. Die Hausarbeiten dienten zudem auch als Übung für die später anstehende Bachelor-Arbeit. 

Dennoch gebe es einige Dinge, die man verbessern könne. Beispielsweise könne man den Umfang der Arbeiten reduzieren oder die Anzahl auf ein bis zwei Arbeiten pro Semester beschränken. Für die Zitierweise und Literaturangaben sei es wünschenswert, sich auf einheitlichere und einfachere Strukturen zu einigen, denn diese seien besonders zeitaufwändig und lästig.

Zudem würden sich die Studis über ein freier wählbares Thema freuen, denn wenn man sich für ein Thema interessiere, falle das Schreiben wesentlich leichter. Aber auch für überlastete Dozenten zeigten die Studis Verständnis: Diese hätten schließlich eine Vielzahl an Hausarbeiten zu korrigieren. 

Ob Alternativen wie Lerntagebücher oder selbstverfasste Wikipedia-Einträge eine Zukunft als wissenschaftliche Arbeiten haben, bleibt abzuwarten. Dass das Schreiben einer Hausarbeiten jedoch wichtige Fähigkeiten mit sich bringt und auch interessant sein kann, steht jetzt schon fest. 

  

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