Grand Science Slam: "Wir wollen Gänsehaut auf den Gehirnhäuten"

01.12.2017
Freizeit
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Am Donnerstag, 23. November, startete mit dem Grand Science Slam in der Halle 45 der Countdown zum Finale der deutschen Meisterschaft nächstes Jahr in Wiesbaden.

"Alexander! Welle!", ruft jemand im Publikum. In der ersten Reihe steht ein Mann auf und initiiert eine Laola-Welle, die durch die gesamten 1300 Zuschauer geht. Ein Ausdruck von großem Spaß des Publikums und Begeisterung für den Slammer.

Wissenschaft und Witz schließen sich keinesfalls aus. Den Beweis liefert der Science Slam. Sechs Slammer stellen ihr Forschungsthema innerhalb von zehn Minuten nicht nur fachlich korrekt vor, sondern präsentieren es auch unterhaltsam und verständlich. Das bedeutet Wissenschaft aus erster Hand und für jeden zugänglich. Hier amüsieren sich Lesemuffel über Kriegsromane und die, die schon in der 8. Klasse Physik nicht verstanden haben, lernen etwas über Molekularwolken. Den oder die Beste bestimmt, wie auch beim bekannteren Format Poetry Slam, das Publikum: Wer am Ende den lautesten Applaus bekommt, gewinnt.

Dennis Schulz, Physiker aus Heidelberg, verliert beim allseits bekannten Spiel Stein-Schere-Papier-Echse-Spock und muss anfangen: er erklärt den Mocca-Detektor. Der hat keineswegs etwas mit Kaffee zu tun, sondern mit dem Universum. 

Der Mocca-Detektor ist nämlich eine Kamera für Moleküle. Er misst die Vibration des Aufpralls von Molekülen auf kaltes Gold, was Dennis mit Babys vergleicht, die in ein Bällebad geworfen werden. Im Falle des Goldes wird die Vibration anhand von Wärme gemessen. Da reicht natürlich kein normales Thermometer. Nein, der Mocca-Detektor braucht schon ein "krasses Thermometer". Und wozu ist das alles gut? So kann bestimmt werden, woraus interstellare Molekularwolken bestanden, die es zuerst nach dem Urknall gab. Aha!

Im Schweiße deines Angesichts. Läuft bei dir. 

Bei der Marburger Humanbiologin Janina Otto dreht sich alles um Schweiß und Deos. Sie erklärt, dass Deo drei Inhaltsstoffe hat: Zuerst einmal natürlich den Duft. Das Schwitzen sollen Antitranspirantien hemmen, indem sie die Aktivität der Drüsen verringern. Auf diese aluminiumhaltigen Substanzen verzichten mittlerweile viele Deohersteller, da sie unter Verdacht stehen, Brustkrebs zu verursachen. Ob das stimmt, weiß allerdings niemand. Die antimikrobiellen Wirkstoffe im Deo sind "die Türsteher der Party der Bakterien unter den Achseln" und verhindern, dass es zu viele Bakterien gibt, die Geruch verursachen. Schweiß an sich stinkt also gar nicht, wer hätte das gedacht? 

Keine Bange vor der Schlange 

Bei Schlangen scheiden sich die Geister: Die meisten finden sie eklig und halten sie für gefährlich, manche finden sie auch schön, aber eins steht fest, Schlangen sind irgendwie seltsam und faszinierend.

Für seine Forschungsarbeit in der Biodiversität bereist der Frankfurter Sebastian Lotzkat die ganze Welt, um Schlangen zu erforschen. Die Bestimmung der Schlangen ist dabei gar nicht so einfach: Schlangenarten, die nicht miteinander verwandt sind, können fast gleich aussehen und umgekehrt. In Deutschland existieren sieben Schlangenarten, aber wirklich gefährlich ist davon keine. Weltweit kann allerdings jede fünfte Schlangenspezies töten. Das Auffressen am Stück ist dabei meist "fake news", doch manche Gifte sind tatsächlich tödlich. Eigentlich gilt aber: "Schlangen sind Schisser" - und zwar im doppelten Sinn. Die meisten fliehen eher als einen Menschen anzugreifen. Und wenn Sebastian sie auf den Arm nimmt, hinterlässt ein Großteil von ihnen gerne mal ein Souvenir darauf.

Sebastian rät deshalb, "keine Bange vor der Schlange"! Man müsse eher Bange um die Schlange haben, da ihr Lebensraum bedroht ist und Menschen sie oft überfahren oder sogar unnötig töten. Dabei spielt die Schlange eine wichtige Rolle in der Natur und  kann etwa in der Pharmazie oder der Bionik auch für den Menschen nützlich sein.

Mainz vs. Wiesbaden 

Nach der Pause treten die Oberbürgermeister von Mainz und Wiesbaden, Michael Ebling und Sven Gerich, zum #LiebeDeineStadtBattle an. Sie vergleichen zuerst die Fakten ihrer Städte: Wiesbaden hat zwar mehr Einwohner, dafür ist das Mainzer Rathaus denkmalgeschützt. Doch aus dem Duell wird schnell ein Duett und am Ende trinken sie "auf ein fröhliches Unentschieden", denn vor allem die Liebe zum Wein schweißt Mainzer und Wiesbadener zusammen. 

Sprachbarrieren, Origami und Weingenuss

Es geht in rasendem Tempo weiter: Die amerikanische Linguistin Carrie Ankerstein spricht über ihr Problem, ü und u im Deutschen auseinanderzuhalten; was ihrer Erfahrung nach vor allem bei den Worten schwul und schwül zu Verwirrung und Belustigung führt: "Das Wetter ist sehr schwul heute."

Gerrit Lungershausen aus Mainz verarbeitet nationalsozialistische Kriegsromane zu "Nazigami", hübsche Origami-Schwäne, die er den nachfolgenden Slammern schenkt. Acht Jahre lang versuchte er, seine Doktorarbeit darüber zu schreiben, bis er sich jetzt leichterer Kost zuwandte: den Zamonien Romanen von Walter Moers. 

Zum Abschluss erklärt Verfahrenstechniker Dr.-Ing. Victor López López aus Mainz, dass an dem Satz "Der Wein muss atmen" tatsächlich etwas dran ist. Eine Studie fand heraus: Je mehr der Wein "belüftet" wird, desto besser schmeckt er. Aber bei dem Gedanken, den Wein bei der sogenannten Hyperdecantation 30 Sekunden durch den Mixer zu jagen, wird wohl jedem Weinliebhaber ein bisschen anders. 

Am Ende entscheidet das Applausbarometer: Sebastian Lotzkat gewinnt mit seinem Vortrag über Schlangen, darf die goldenen Boxhandschuhe mit nach Hause nehmen und qualifiziert sich so für das große Finale im nächsten Jahr. 

Der Grand Science Slam in der Halle 45 war die erste Wettkampfveranstaltung der deutschen Meisterschaft im Science Slam. Damit ist der Startschuss für die "Road to Mainz/Wiesbaden" gefallen, denn die Meisterschaft und verschiedene damit verbundene Events und Wissenschaftsveranstaltungen werden 2018 sowohl in Mainz als auch in Wiesbaden ausgetragen.

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