Forschungsreise ins Lalaland

30.01.2017
Studium
db

Humangeographie ist ein Masterstudiengang an der Uni Mainz und ein guter dazu. In den Sommersemesterferien fuhren die Studis zusammen auf eine Forschungsreise nach Kalifornien. Es sollte eine aufregende Reise ins Lalaland werden.

Endlich keine Nummer mehr

Der Master Humangeographie ist mit einer der kleinsten Studiengänge der Uni Mainz. Nur 13 Leute sind im Wintersemester 2015/16 zu diesem zweijährigen Master im Geographischen Institut angetreten. Man merkte gleich zum Beginn des ersten Semesters, dass der Respekt größer und das Miteinander deutlich angenehmer ist, als im Bachelor. Man fühlt sich nicht mehr wie eine kleine Nummer unter vielen, die in Massenjahrgängen im Bachelor durchgeschleust wurde.

Dozenten aus Amerika

Das zweite Semester wurde von besonderem wissenschaftlichem Besuch geprägt: Mehrere US-amerikanische Dozenten, die als Koryphäen ihres Fachgebietes gelten, waren nach Mainz eingeflogen worden. Sie saßen uns Master-Studis gegenüber und wie selbstverständlich sahen sie uns als gleichwertige Diskutanten.

Wir redeten in unseren Kursen mit einem bärtigen Texaner über kritische Geopolitik, mit einem leicht verpeilten Kalifornier über Filmgeographie und mit einer Doktorandin aus Arizona über freie digitale Erhebungs- und Analysewerkzeuge der Geographie (die man landläufig auch unter dem Namen Google Maps kennt).

Das Seminar "On Location" war einer dieser Kurse und was damit verknüpft war, ließ viele im Jahrgang aufhorchen. Geographen schauen sich bekanntermaßen die Welt an und wie sie funktioniert. Aus dem Bachelorstudium konnte jeder anwesende Geograph Geschichten von Exkursionen in die entferntesten Ecken des Planeten erzählen - das sind die Vorteile eines solchen Studiums.

Vorbereitung in Mainz

Im Seminar “On Location“ bereiteten wir uns während des Sommersemesters 2016 auf das große Forschungsprojekt zum Thema Filmgeographie und On-Location-Drehs vor. In den folgenden Semesterferien sollten wir dann nach Los Angeles reisen, um dort für zwei Wochen an den bekanntesten Drehorten der Welt zu forschen.

Für einen Geographen war die Vorstellung, sich in der Weltstadt Los Angeles die meist gefilmten Drehorte des Planeten anzuschauen, aufregend. Obwohl die Vorbereitung in Mainz nur ein Semester dauerte, schien sie sich ewig hinzuziehen. Nachdem per Zufall jeder seine Location zugelost bekommen und sich die zweier Teams gebildet hatten, gingen die Vorbereitungen los. Wir mussten Daten aufbereiten, um die cineastische Nachbarschaft unserer Location zu analysieren. Erste Karten wurden mithilfe von geographischen Informations-Systemen erstellt und wir suchten im Internet Informationen über unsere Location zusammen.

Willkommen in Lalaland

Schließlich war es soweit und wir reisten nach Los Angeles. Vor Ort fanden wir ein günstiges Hotel, gelegen zwischen dem pulsierenden Innenstadtteil Los Feliz und der beliebten Mittelstandswohngegend Silver Lake. Ganz in der Nähe war außerdem die Los Angeles Zentrale der Scientologen, die zwar vom Wortstamm her nach Wissenschaftlern klingen, aber kläglich an der Überprüfung durch selbige scheitern würden. Scientology Jünger liefen uns in den nächsten zwei Wochen also öfter über den Weg.

Bröckelnde Stadt der Träume

In der ersten Woche unseres Aufenthalts lernten wir Stadt, Leute und das filmische Erbe Hollywoods kennen. Dazu besuchten wir nicht nur die Sony- und Universalstudios, sondern auch den Walk-of-Fame und viele andere weltberühmte Sehenswürdigkeiten LAs. Auch die weniger schöne Seite der Stadt, Obdachlosigkeit und Verfall, lernten wir nebenbei und durch private Ausflüge kennen.

Das Gesamtbild, das sich nach einer Woche von LA formte, ist das einer Stadt der Schauspieler, eine Stadt, in der Armut und Weltruhm nebeneinander möglich sind – zum Teil in ein und derselben Person. Das Lalaland, wo berühmte Drehorte den Glanz alter Zeiten versprühen, während in großen Teilen der Stadt die Bausubstanz seit Jahren verkommt. Entwicklungen wie man sie aus europäischen Großstädten kennt, die Verwahrlosung der öffentlichen Infrastruktur oder die gnadenlose Gentrifizierung einzelner Stadtteile, sind offensichtlich. Insgesamt eine enttäuschende Stadt der Träume, die dieses Image aber weiterhin durch ihre eigenen Filme aufrechterhält.

Die Abenteuer der On-Location-Forschung

Die zweite Woche war bestimmt durch die eigene Recherche an der Film Location, bei Experten, beispielsweise bei der Film Kommission LAs oder in der Bibliothek. Hier kam die immense Freundlichkeit und Offenheit der Angestellten zum Vorschein, die scheinbar alles versuchten, um unsere Anfragen zu beantworten oder uns Zugriff auf Informationen zu verschaffen. Auch Fragen, von denen wir glaubten, sie seien nicht zu beantworten oder würden unter das Firmengeheimnis fallen, wurden uns beantwortet.

Ein Team wurde sogar eingeladen, beim Dreh von Criminals Minds dabei zu sein und die On-Location Produktion live mit zu erleben. Auch die Dreharbeiten der Serie New Girl konnten wir hautnah beobachten. Außerdem gab es das Gerücht, dass ein Forschungsgespann einen der größten Regisseure aller Zeiten, Steven Spielberg, bei ihrer Location getroffen hat - das konnte jedoch nie bestätigt werden.

Es wurden in dieser Woche viele Locationfotos gemacht, Skypeinterviews geführt und Tagesbesprechungen mit unseren Dozenten am Pool abgehalten. Natürlich war auch für das ein oder andere Shopping- und Freizeiterlebnis Zeit und manchmal ließ sich das auch direkt mit der Forschung verbinden. Wie zum Beispiel der Kinoabend mit Wes Andersons Meisterwerk Moonlight Kingdom auf dem Hollywood Forever Friedhof, wo schon Dexter seine Leichen vergrub; oder in El Pueblo gegenüber der berühmten Union Station, wo mit Musik, Tombola und Tänzen der Mexikanische Unabhängigkeitstag wie ganz selbstverständlich zelebriert wurde. Einblicke in die Kultur einer 4 Millionen Stadt.

Abschied von Forschung und Freunden

An den letzten Tagen unserer Forschungsreise mussten wir bereits unsere ersten Ergebnisse vortragen. Natürlich am Ort unserer Location. Dabei kam ein nicht zu unterschätzender Faktor ins Spiel, der auch so manchen Filmemacher zur Weißglut hätte treiben können. Durch die Lage der Locations in der Innenstadt, meist an öffentlichen Orten, war die Lärmbelastung hoch und wir verstanden unser eigenes Wort nicht mehr.

Die Präsentationen schließlich hinter uns gebracht, war die Forschungsreise beendet. Und nicht nur die Reise ins Lalaland war abgehakt, sondern auch der Masterjahrgang. Nie wieder würden wir in dieser Konstellation zusammenkommen: Nach dem darauffolgenden Wintersemester mit Praktika, Erasmus oder Kontextfächern steht schon die Masterarbeit an. Unterricht mit allen zusammen wird es nicht mehr geben. Es war also nicht nur ein Abschied von unserem Professor und den USA, sondern auch vom gesamten Jahrgang.

50 Seiten schweißen zusammen

Uns war allen bewusst, dass, wenn man mal in Amerika ist, man dies auch nicht nur für die Arbeit nutzen sollte. Und so verstreuten wir uns im Anschluss an das Forschungsprojekt, die einem mit Auto und Zelt, die anderen mit dem Wohnwagen, über den Westen der USA. Das machte den Abschied ein wenig erträglicher. Der jeweils 50seitige Forschungsbericht, den wir im Wintersemester 2016/17 schreiben sollen, lässt uns jedoch noch für eine Weile im selben Boot sitzen.

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