Forschen in Europa: top oder flop?

16.03.2014
Campus-News
bsc

Wieso Wissenschaft machen, wenn es gut bezahlte Jobs in der Industrie gibt? Und was hat Europa seit Neuestem jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu bieten? Fragen wie diese wurden am 12. März von sieben Gästen auf dem hochschulpolitischen Podium der Liberalen Hochschulgruppe Mainz diskutiert.

Wieso Wissenschaft machen, wenn es gut bezahlte Jobs in der Industrie gibt? Und was hat Europa seit Neuestem jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu bieten? Fragen wie diese wurden am 12. März von sieben Gästen auf dem hochschulpolitischen Podium der Liberalen Hochschulgruppe Mainz diskutiert, unterstützt von der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE). „Sind die deutschen Hochschulen fit für den europäischen Forschungsraum?“ lautete ihre Frage.

Zauberwort Mobilität

Das Zauberwort, unter dem auch Bachelor und Master einst eingeführt wurden, lautet Mobilität. „Wir brauchen eine neue europäische Grundfreiheit: die Freiheit des Wissens“, forderte Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Vorsitzender im europäischen Parlament, auf dem Podium. Das sind hehre Worte, denen die bundesdeutsche Uni-Realität entgegensteht. „Die Unis stehen vor einer Zerreißprobe“, klagte Prof. Dr. Hans Reiner Schultz. Laut dem Präsidenten der neuen Geisenheim University würden heutzutage „Studentenberge“ ohne eine entsprechende staatliche Grundfinanzierung an die Hochschulen abgegeben. So wurde auch die – zur Zeit durch des Grundgesetz unmögliche – Förderung von Hochschulen durch den Bund angemahnt. Zur Forschung kommen manche Forscher scheinbar auch gar nicht: Ein Mainzer Professor klagte über die „Fremdbestimmung“, die er durch zu haltende Vorlesungen und Seminare erdulden müsse.

Mehr Masse, mehr Mobilität

Die gute Nachricht lautet: Im EU-Programm „HORIZON 2020“, das im Januar anlief, werden innerhalb von 7 Jahren insgesamt 80 Milliarden Euro in die Wissenschaft gepumpt. Die Europäer haben einen europäischen Forschungsrat berufen, der Spitzenforschung fördern soll, und ein europäisches Innovations- und Technologieinstitut in Budapest gegründet. Das Ganze ist laut Wissenschaftsberaterin Dr. Christiane Gaethgens ein Wachstumsprogramm, das Europa wirtschaftlich konkurrenzfähig mit Amerika und Asien machen solle: Mehr „kritische Masse“ in Forschungszusammenschlüssen, mehr Internationalität, mehr verwertbare Innovation, erklärte Gaethgens.
Doch Mobilität ist in der Wissenschaft geliebt und gefürchtet: Traditionell wandern viele Qualifizierte von deutschen Hochschulen etwa in die USA ab. Zwar kehrten inzwischen die Leute oft wieder zurück, zudem berufe man Professuren in Deutschland durchaus weltweit, aber der Nachwuchs müsste dann wiederum verstärkt in internationale Netzwerke geschickt werden, forderte die Wissenschaftsexpertin Gaethgens. Es gehe also laut der Beraterin um einen balancierten Austausch, einen Kompromiss aus Zeitverträgen und Berufsperspektive, die in Deutschland sehr unsicher ist.

Bessere Aussichten für Nachwuchswissenschaftler?

Die Industrie kann da ganz anderes bieten. „Wir zahlen gern für Forschung zu unseren Themen“, sagte Dr. Hans-Michael Walter, Vizepräsident vom Chemiekonzern BASF. „Kein Problem“ sah er daher im Hochschulsystem – hat doch sein Arbeitgeber Bewerberinnen und Bewerber aus der ganzen Welt.  Bei Themen, wie etwa Grundlagenforschung, muss sich auf die Suche nach Finanzierung machen.

Die Habilitation, Voraussetzung und große Hürde auf dem Weg zu einer deutschen Professur, scheint indes ausgedient zu haben. Eine Juniorprofessur mit „tenure track“, also Umwandlung in eine ordentliche Professur bei Erfolg, wurde vom Podium favorisiert, ist aber hierzulande noch kaum Praxis.
„Wir haben noch nicht gelernt, die EU zu nutzen, anstatt sie nur zu erleiden!“ – Was für viele Normalbürger gilt, gilt laut Dr. Christiane Gaethgens auch für Studis, Profs und Co. Die Mainzer Forschung liegt ihr zufolge im unteren Durchschnitt, was EU-Fördermittel betrifft, Hamburg etwa kriegt viel mehr.

Weitere Teilnehmer: Dr. Matthias Büger, Deutsche Bank; Dr. Ralf-Rainer Piesold, Fraunhofer-Institut.

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