Florett, Säbel und Degen: Fechten an der Uni Mainz

14.12.2015
Freizeit, Sport
jm

Die Zeit an der Universität ist bekanntermaßen nicht nur zum Lernen angedacht. In erster Linie dient sie der eigenen Entwicklung, bietet den Rahmen und die Möglichkeiten neue Dinge auszuprobieren und zu entdecken. Wieso sich also nicht auch in einem traditionellen, ausnahmsweisen mal europäischen Kampfsport versuchen?

Aufrecht hinstellen, der Rücken gerade, die Fersen aneinander, die Fußspitzen im 90-Grad-Winkel gespreizt. Jetzt den Blick nach rechts, den rechten Fuß etwa eineinhalb Fußlängen weiter vorne platzieren, den rechten Arm vorschieben, mit nach oben zeigender Handfläche, während der linke Unterarm entgegen der Blickrichtung locker aufrecht gehalten wird. Und jetzt in die Hocke. Tiefer. Noch ein wenig tiefer, den Rücken weiter gerade durchgestreckt halten. So sieht die Grundstellung im Fechten aus. Aus dieser heraus wird agiert, in sie wird nach jeder Aktion wieder zurückgekehrt. Und mit ihr wird auch gelaufen.

Fechten lernen heißt zunächst einmal Laufen lernen

Und Laufen lernen ist harte Arbeit. So gestalten sich die ersten Trainingseinheiten recht monoton. Immer wieder in die Grundstellung, immer wieder in dieser die Halle durchqueren. Zwei Schritte nach vorne, noch einer, noch einer, drei zurück, wieder zwei nach vorne, zwischendurch ein Ausfallschritt und dann wieder von vorn. Klingt einfach? Ist es definitiv nicht.

Eineinhalb Stunden in der Hocke lassen Oberschenkel- und Wadenmuskulatur brennen, die Konzentration oben halten um den Anweisungen des Obmanns (bei Turnieren der Kampfrichter, im Anfängerkurs der Trainer) zu folgen, lässt auch den Kopf ermüden. Fechten ist anstrengend für Körper und Geist und überfordert gerade den Anfänger recht schnell.

Durchhaltevermögen wird belohnt

Die ersten Einheiten werden zur Tortur – doch sie werden sich lohnen. Beißt man sich durch und verinnerlicht die Grundlagen, so kommt man in den Genuss einer sehr schnellen, dynamischen Sportart, die den Teilnehmenden alles abverlangen wird und die dennoch beinahe besinnlich ist. Zieht der Kämpfer die Maske (wichtig: Maske, nicht Helm) über, schrumpft die Welt, sie schrumpft auf die etwa eineinhalb Meter breite Bahn zusammen, auf die beiden Klingen und das vor ihm stehende Ziel.

Florett, Säbel und Degen

Wie und wo dieses getroffen werden darf, ist unterschiedlich, da jede Waffe ein eigenes Regelwerk besitzt. In Mainz wird mit drei verschiedenen Klingen gefochten: dem Florett, dem Säbel und dem Degen. Das Florett bildet die Grundlage und wird zuerst gelehrt und gelernt. Bei ihm handelt es sich um eine Stoßwaffe, das heißt der Gegner muss mit der Spitze getroffen werden, die Trefferfläche bildet der Torso.

Die beiden Kämpfenden werden so verdrahtet und an eine Trefferanzeige angeschlossen, dass jeder Treffer mit akustischen Signal und leuchtender Lampe quittiert wird. Nicht selten passiert es, dass beide Lichter gleichzeitig angehen. Wer dann den Treffer erhält, entscheidet das Angriffsrecht – und hier wird das richtige Laufen wieder wichtig. Denn der, der attackiert wird bei Doppeltreffern bevorzugt, und wer gerade im Angriff war, entscheidet der Obmann, der dabei vor allem auf die Schrittfolge und die Position des Armes achtet. 

Ähnlich auch beim Säbel, einer Hieb- und Stoßwaffe. Beim Säbel können mit der kompletten Klinge Treffer erzielt werden, Trefferfläche ist der vollständige Oberkörper, einschließlich beider Arme und der Maske. Und auch hier kommt es sehr häufig zu Doppeltreffern, wo anschließend die Entscheidung über Punktgewinn durch das Angriffsrecht gefällt wird. Durch das Angriffsrecht erhalten diese Waffe eine große Dynamik, da der Attackierende prinzipiell im Vorteil ist und beide Kämpfer stets diesen Vorteil zu erreichen versuchen werden.

Anders der Degen, der taktischer, vermeintlich langsamer ist. Wo Florett- und Säbelkämpfer die Bahn hoch und runter rennen, da umkreisen die Degenfechter sich, belauern einander um auf den passenden Moment zu warten – und dann zuzuschlagen.

Optisch gleichen sich Degen und Florett, nur ist ersterer etwas schwerer und mit einer größeren Schutzglocke versehen. Der Degen ist eine Stichwaffe, mit der aber auf den gesamten gegnerischen Gegner, also auch abseits der Gürtelschnalle, gezielt werden darf. Angriffsrecht gibt es hier nicht, wer trifft bekommt den Punkt, bei Doppeltreffern wird der Punkt geteilt. Ein vermeintlicher Realismus: Fehler werden eiskalt bestraft, Punkte können nicht am grünen Tisch erzielt werden, nur die Arbeit mit der eigenen Klinge zählt. Wo beim Säbel und Florett die Technik der unabdingbare und entscheidende Faktor ist, da wird beim Degen die Willenskraft, die Entschlossenheit zu einem elementaren Bestandteil des Gefechts, der Opponent kann regelrecht niedergerungen werden.

Blaue Flecken inklusive

Der Kampf an sich wird durch die Schutzkleidung, bestehend aus verstärkten Jacken, Hosen, Handschuh und Helm, sowie einem Brustpanzer für Frauen, gefahrlos. Dennoch, Fechten ist ein Kampfsport, blaue Flecken unvermeidbar.

Vor dem Kampf gegen einen menschlichen Gegner kommt der Kampf gegen den eigenen Schweinehund. Die ersten paar Einheiten sind mit dreißig Studenten und mehr überlaufen, die letzten von nicht mehr als einem Dutzend Verbliebener besucht. Wer es schafft, wer sich hier durchquält, der kommt in den Genuss einer tollen Sportart, mit dem Uni-Team an zahlreichen Turnieren überall in Europa teilzunehmen und bekommt vor allem die Möglichkeit, sich selbst zu beweisen.

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