Flexiblerer Namens- und Geschlechtseintrag für trans* Studierende

16.06.2020
Campus-News, Studium
jsp

Trans* Studierende brauchen für eine Änderung ihres Namens- und Geschlechtseintrags an der JGU Mainz keinen Gerichtsbeschluss mehr. Für diese Lockerung spricht sich auch das Queer*referat aus.

Die Johannes Gutenberg-Universität hat am 30. April 2020 beschlossen, dass sie Namens- und Geschlechtseintragungsänderungen von trans* Studierenden zukünftig erleichtern will. Statt eines Gerichtsbeschlusses solle nun auch die Vorlage eines DGTI-Ausweises beim Studierendenservice eine solche Änderung ermöglichen. Beim DGTI-Ausweis handelt es sich um einen Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI), der selbstgewählte personenbezogene Daten enthält, sowie ein Passfoto und die Nummer des amtlichen Personalausweises.

Diese Namensanpassung gelte der Hochschulleitung zufolge für das gesamte CampusNet. Das CampusNet ist die zentrale Software der JGU und wird u.a. in den Bereichen der Bewerbung und Zulassung oder der Prüfungsverwaltung eingesetzt. Abschlusszeugnisse würden hingegen weiterhin auf den amtlichen Namen ausgestellt, was das Queer*referat, auf Anfrage, weiterhin kritisch betrachtet. Die Universitätsleitung arbeite derzeit nach eigenen Angaben an der Umsetzung dieser Änderungsmöglichkeit und daran, Informationen über diese Möglichkeit auch an die Studierenden, die Prüfungsämter und die Studienbüros weiterzugeben.

Des Weiteren sei, dem Queer*referat zufolge, am 30. April 2020 eine Arbeitsgruppe zu dieser Thematik einberufen worden. Diese würde sich aus dem Studierendenservice, der Stabstelle Gleichstellung und Diversität sowie der Stabstelle Rechtsangelegenheiten zusammensetzen, teilte das Queer*referat auf Anfrage mit. Jedoch sei noch kein Zieldatum für die Umsetzung genannt worden. 

Offener Brief des Queer*referats thematisiert Probleme

Die Lockerungen wurden am 15. Mai 2020 an das Queer*referat weitergegeben, nachdem es am 2. Mai 2020 einen offenen Brief an die Universitätsleitung gerichtet hatte. In diesem Brief forderte das Referat u.a. ebenfalls, dass trans* Studierende ihren Namens- und Geschlechtseintrag in den Datenbanken der JGU leichter ändern können, beispielsweise mithilfe des DGTI-Ausweises. 

Der Gerichtsbeschluss, der zuvor für diese Änderungen nötig war, konnte nach §1, Absatz 1 Satz 1 des Transsexuellengesetzes erst verabschiedet werden, nachdem die betroffene Person mindestens drei Jahre "unter dem Zwang steht, den eigenen Vorstellungen entsprechend zu leben." Das Queer*referat hat in seinem offenen Brief die hohen Anforderungen kritisiert, die dadurch für trans* Studierende an der JGU entstehen: "Die aktuelle Regelung der JGU können trans* Studierende nur wahrnehmen, insofern sie sich ihrer Identität schon in vergleichsweise jungen Jahren bewusst waren, dies belegen können, ein unterstützendes, tolerantes Umfeld haben und hatten und auch über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen." 

Auf einen Gerichtsbeschluss zur Namensänderung verzichten schon verschiedene deutsche Universitäten, wie die Technische Universität Darmstadt oder die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Neben einem Gutachten der Berliner Humboldt-Universität räumt auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in einer rechtlichen Einschätzung den Hochschulen entsprechende Freiräume ein, um diese Bestimmungen zu lockern.

Das Gutachten der Humboldt-Universität beleuchtet neben dem rechtlichen Spielraum an Hochschulen auch Depressionen und andere mögliche psychische Folgen, die durch die wiederholte Konfrontation von trans* Studierenden mit ihrem Deadname entstehen können. Dieser beschreibt den ehemaligen Vornamen, der abgelegt wurde, weil er nicht dem Geschlecht entspricht, dem sich die trans* Personen zugehörig fühlen.

Um Zwangsoutings vor Lehrenden und Kommiliton:innen zu vermeiden hatte das Queer*referat, neben den Alternativen zu einem Gerichtsbeschluss für die Namensänderung im CamspusNet, außerdem gefordert, dass Studierende in Zeiten der Online-Lehre die Möglichkeit bekommen sollten, selbstständig einen Alias einzutragen. Dies hat die Uni-Leitung jedoch bislang nicht umgesetzt.

"Minimal-Konsens" erreicht

Auf Anfrage zeigt sich das Queer*referat zwar erfreut darüber, dass die Namensänderung für trans* Studierende nun auch ohne gerichtlichen Beschluss möglich sein werde. Allerdings stelle die beschlossene Änderung nur einen "Minimal-Konsens" im Thema der Namensänderung dar. Der formelle Antrag ohne Dokumentenvorlage, also auch ohne DGTI-Ausweis, sei für das Referat hingegen die Ideallösung. Man habe lediglich auf die Option des DGTI-Ausweises hingewiesen, da er unter den Möglichkeiten der Dokumente zur Vorlage immer noch der Zugänglichste sei. 

Neben der fehlenden Anpassung für Abschlusszeugnisse bedauert das Referat außerdem, dass die Universitätsleitung auf eine Übergangslösung bis zur Umsetzung der Namensänderung im Studierendenservice verzichte, die voraussichtlich Mitte Juni technisch abgeschlossen sein werde. Eine solche Lösung wäre dem Referat zufolge z.B. durch die Freischaltung der Alias-Option möglich gewesen, die nun ausbleibt. 

Schulungsangebote für Lehrende sollen ausgebaut werden

Neben der Änderung des vereinfachten Namens- und Geschlechtseintrags hatte sich das Referat in seinem offenen Brief auch mehr Schulungsangebote für Lehrende zum Umgang mit trans* Studierenden gewünscht. Es nimmt hierbei konkret die Stabsstelle für Gleichstellung und Diversität in die Pflicht, mit der es bereits zuvor kooperiert hatte. Das Referat hat sich dafür ausgesprochen, dass sie auch Fehlverhalten von Dozierenden sanktionieren solle, und bietet ebenfalls die eigene Expertise an, um Schulungen durchzuführen oder gewünschte Kontakte herzustellen.  

Auf Anfrage stellt das Queer*referat in Aussicht, sich auch künftig Problemen wie der Geschlechtseinträge in digitalen Erfassungssystemen, Anrede und Ansprache im Unialltag, der Situation von Mitarbeitenden der Universität sowie der "Toilettenthematik" zu widmen und dafür eigene Events zu nutzen. Die Themen sollen jedoch auch in gemeinsamen Veranstaltungen mit der Stabstelle für Gleichstellung und Diversität ab dem Wintersemester 2020/21 besprochen werden. Dabei gehe es auch um die Möglichkeiten von Veranstaltungen für Lehrende.

Die Universitätsleitung betont in ihrer Antwort auf den offenen Brief des Referats unterdessen, dass die JGU schon seit 2016 eine diversitätsorientierte Lehre verfolge. Darunter fallen beispielsweise die "Tipps für Hochschullehrende", in deren Rahmen seit Februar 2016 jeden Monat ein Tipp für eine diversitätsgerechte Lehre veröffentlicht wird, oder das Grundlagenpapier zu diversitätsorientierter Hochschuldidaktik. Im Vordergrund stehe ein "inklusives Lernklima, in dem die optimale Entwicklung aller" berücksichtigt werde

Die Hochschulleitung zeigte sich allerdings auch offen für die Unterstützungsangebote des Referats: Man freue sich darauf, "gemeinsam Lösungsvorschläge dafür zu entwickeln, wie man Lehrende durch niedrigschwellige Informationsangebote für dieses Thema sensibilisieren kann."

Umstrukturierung des Referats abgeschlossen

Das Queer*referat hat sich in diesem Jahr vom Autonomen Referat für schwule und bisexuelle Männer zum Queer*referat umstrukturiert (campus-mainz.net berichtete). Damit öffnet sich das Referat für "die Belange aller Studierender, die sich auf einem Spektrum von Aromantik, Asexualität, Biromantik, Bisexualität, Homoromantik, Homosexualität, Intergeschlechtlichkeit, geschlechtlicher Nichtbinärität, Panromantik, Pansexualität, Transgeschlechtlichkeit oder Queer* befinden". Es stellt ihnen verschiedene kulturelle und beratende Angebote zur Verfügung und vertritt ihre Interessen auch auf der hochschulpolitischen Ebene. 

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