FILMZ 2021 - Eine Eröffnung von Angesicht zu Angesicht

09.11.2021
Freizeit, Veranstaltungen
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Am 4. November startete die 20. Ausgabe von FILMZ-Festival des deutschen Kinos. Endlich wieder vor Ort und mit Live-Publikum eröffnete "Lieber Thomas“ das bis zum 13. November stattfindende Programm.

"Wir freuen uns riesig und hätten überhaupt nicht gedacht, dass wir Sie von Angesicht zu Angesicht begrüßen dürfen.“ Die Freude darüber, das FILMZ-Festival des deutschen Kinos wieder vor Live-Publikum eröffnen und durchführen zu dürfen, ist groß. Nachdem dieses im letzten Jahr aufgrund der Corona-Pandemie rein digital aufgestellt wurde (campus-mainz.net berichtete), sind nun nicht nur die Leiter:innen des FILMZ – Lilli Hövener, Leoni Buchner und Roman Polanski – sondern auch das Publikum sichtlich dankbar dafür, das Kulturerlebnis endlich wieder vor Ort genießen zu dürfen. Und eins ist jetzt schon sicher: Die losgelöste Stimmung der Eröffnung ist nur der Beginn einer unvergesslichen Festivalwoche – die Reden voller Euphorie, der Applaus tosend.

"Wir möchten Deutsches Kino auch nach Hause bringen!“

Das FILMZ, das mittlerweile fest zur überregionalen Kulturlandschaft gezählt wird, verteilt sich in der ganzen Stadt und lässt somit alle Mainzer:innen und auch Nicht-Mainzer:innen am Kulturleben teilhaben. Das Publikumsfestival besteht aus Langfilm- und Kurzfilmwettbewerben, Wettbewerben in den Sektionen Mittellanger Film und Dokumentarfilm und aus lokalen Wettbewerben wie dem 55FILMZ. "Publikumsfestival“ nennt sich das FILMZ auch gerne selbst, weil einerseits eine einzigartige publikumsorientierte Atmosphäre geschaffen wird und andererseits das Festivalpublikum selbst die Jury darstellt. 

Neben dem Frankfurter Universitätskino Pupille, dem Cinémayence, dem Murnau Filmtheater in Wiesbaden und dem Capitol & Palatin Filmtheater, stellen auch das Institut Francais, das LeBonBon, die Kuehn Kunz Rosen Brauerei, die Altmünsterkirche sowie das neue Festivalzentrum des FILMZ, der LUX – Pavillon, die diesjährigen Austragungsorte dar. 

Außerdem gibt es seit diesem Jahr eine besondere Neuerung: Das Festival findet zusätzlich auch On Demand statt und zeigt Teile des Programms auf der Plattform Vimeo.

Dies soll es ermöglichen, die deutschsprachigen Produktionen der Kulturschaffenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auch zu den Menschen nach Hause bringen.

Als wäre das nicht schön genug, leistet die On Demand Option außerdem gleichzeitig einen Beitrag zur weiteren Pandemie-Eindämmung.

2020 musste das für die Kinosäle geplante Programm nur wenige Tage vor Beginn vollständig durch ein digitales ersetzt werden. Für das Kinofeeling im eigenen Heim wurden die Filme auf alleskino.de verfügbar gestellt und konnten nach einer Ausleihe zu einem Preis von 4,99 Euro dann innerhalb von 48 Stunden angesehen werden. Der limitierte Zugang sollte das Gefühl eines virtuellen Kinosaals vermitteln (campus-mainz.net berichtete).

Eine gegenseitige "Befruchtung“ von Kino und Theater

Für die Eröffnung des Festivals wurde ein Ort gewählt, der laut Kulturministerin Katharina Binz schon seit 2007 in einer Idee festgehalten wurde – das Kleine Haus des Staatstheaters Mainz bildete beim 20-jährigen Jubiläum den ersten Austragungsort der Woche ab. 

Für die Kulturministerin ist das „ein Zeichen dafür, wie Kulturleben in Mainz funktioniert und sich die Kultursparten ergänzen und gegenseitig befruchten.“

Neben ihr sprachen außerdem die Kulturdezernentin Marianne Grosse sowie Prof. Dr. Sarah Scholl-Schneider, die stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung und Juniorprofessorin am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. 

Und auch Malu Dreyer, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, konnte sich per Videobotschaft die Zeit nehmen, um die Kulturschaffenden mit einem Grußwort zu ehren. 

"Lieber Thomas“

Den Startschuss für das Festival gab der Langfilm "Lieber Thomas“, der allerdings außer Konkurrenz zu den noch folgenden Filmen des Wettbewerbs steht. 

Der knapp zweieinhalbstündige Film inszeniert das Leben des rebellischen Schriftstellers und Regisseurs Thomas Brasch, der am 03. November 2001 starb. Verkörpert wird er in "Lieber Thomas“ von Schauspieler Albrecht Schuch. Der Film wurde komplett in schwarz-weiß gedreht, was nicht nur die Zeit und Orte der DDR gekonnt widerspiegelt, sondern auch das Auseinanderhalten von Realität und Traum im Film erschwert – dies ermöglicht eine tiefergehende Identifizierung mit Thomas Brasch, bei dem Wirklichkeit und Fiktion regelmäßig ineinander übergingen. 

"Lieber Thomas“ ist eine bewegende filmische Biografie über einen Träumer, der sich gegen den Staat und somit auch seinen eigenen Vater stellt. Aufgrund der politischen Lage in Prag 1968, als Panzer in die Stadt einrollten, sahen Thomas Brasch und einige seiner Mitstudierenden sich in der DDR mit der Aufgabe betraut, etwas dagegen zu unternehmen. Aufgrund seiner Aufstände, die er nicht nur durch das Verteilen von Flugblättern, sondern auch mithilfe seiner (Schrift-)stücke zum Ausdruck brachte, flog er erst aus dem Studium und landete später schließlich im Gefängnis. 

Der Film erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich auf der ständigen Suche nach Erfolg und Glück befand. Mit seiner Frau, der Schauspielerin Katharina Thalbach, und seinem Kind zog er des Erfolges wegen von der DDR in die Bundesrepublik – den Erfolg fand er, das Glück nie.  

Publikumsnähe? Ja! Ein Q&A mit Regisseur und Drehbuchautor 

Die Publikumsnähe spielt nicht nur im Wettbewerbsverlauf eine Rolle, auch der Austausch mit Filmemacher:innen wird gerne gewährleistet. So traten Regisseur Andreas Kleinert und Drehbuchautor Thomas Wendrich nach der Filmvorführung in einen direkten Dialog mit dem FILMZ-Publikum und beantworteten Filmfragen aller Art. 

Die Filmemacher nahmen sich zu später Stunde ausgiebig Zeit für das Publikum und lieferten detaillierte, spannende Antworten. Erläutert wurden die Schritte von der Projektentwicklung zu Recherche- und Drehbucharbeiten, bis hin zur Schauspieler:innensuche, bei der das Publikum mitunter erfahren durfte, wie individuell und zuverlässig die Arbeitsweise von Albrecht Schuch ist. 

Bei den Drehbucharbeiten bestand die Herausforderung unter anderem darin, aus einer Biografie eine spannende Geschichte zu erzeugen. Thomas Wendrich selbst wusste, „einem Autor beim Schreiben zuzusehen, ist das langweiligste, was es gibt“, sich allerdings in den Kopf des Autors hineinzuversetzen und seine chaotische Innenwelt darzustellen, ist für ihn das Gegenteil von langweilig.

Dass der Film ausschließlich in schwarz-weiß gedreht wurde, um die ständige Irritation in Brasch’s Kopf auf die Leinwand zu bringen, sowie die Aussage, dass das DDR Set nicht klischeegetreu, sondern aus den Erinnerungen und Gefühlen des Regisseurs und Drehbuchautors heraus aufgebaut wurde, sind nur zwei von vielen Fragen, die die Filmemacher ausführlich beantworteten. Beide – sowohl Thomas Wendrich als auch Andreas Kleinert – lebten in der damaligen DDR. Außerdem ging es in dem Q&A um den Mythos der 10 Jahre Arbeitszeit des Films – die eigentlich nur acht Jahre lang ging.

FILMZ-Festival des deutschen Kinos – 2021 endlich wieder vor Ort und mit Publikum. Und spätestens seit diesem Jahr stimmen alle den Worten Roman Polanski‘s zu: „Mainz ohne FILMZ und FILMZ ohne Mainz – das ist unvorstellbar geworden.“ 

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