Filmkritik | Volt

28.12.2016
Freizeit
es

"Auch wenn ihr uns nicht seht, wir sind noch da." Auf der Leinwand vermischen sich malerische Bilder mit industriegeprägten Szenen. So beginnt der genauso ausdrucksstarke wie umstrittene Film Volt. Kinostart ist der 2. Februar 2017.

Volt spielt in einer nahen Zukunft eines nicht genannten Staates. Die Regierung hat eine von der restlichen Gesellschaft abgeschottete Transitzone eingerichtet, in der eine Art modernes Babylon mit eigener Dynamik entsteht. Sie wird von der Polizei kontrolliert, die bei den Bewohnern – von den Polizisten nur "Blackies" genannt – als Prellbock gilt, der die exekutive Gewalt mittels willkürlicher Befehle und Anordnungen durchsetzt. Der Film zeigt sowohl die Seite der eingesperrten Menschen, die die Polizei für ihr Übel verantwortlich machen, als auch die der Polizei, die als die ausführende Gewalt aus Selbstschutz keinen Skrupel gegenüber den Bewohnern der Transitzonen zeigt.

Ein Platz im Leben meines Opfers

So kommt es, dass der Polizist Volt (Benno Fürmann) während eines Einsatzes den Transitzonenbewohner Hesham (Tony Harrison Mpoudja) tötet. Ab diesem Zeitpunkt plagen ihn Schuldgefühle, für die es in dieser Realität aber keinen Platz gibt.

Volt verschweigt die Tat und begibt sich auf eine "schizophrene Reise", wie es Regisseur Tarek Ehlail nennt: tagsüber verfolgt und sperrt er flüchtende Transitzonenbewohner ein, nachts unternimmt er Ausflüge in die Transitzone und lebt das Leben derer, die er am Tag bekämpft. Schließlich geht er eine Liebesbeziehung mit LaBlanche (gespielt von Rapperin Ayo) ein – mit der Schwester des Opfers, die nicht weiß wen sie vor sich hat. Während die Tat von der Presse und einem angeblichen Augenzeugen publik gemacht wird, versucht Volts Einheit durch Zusammenhalt und Erpressung den Zwischenfall unter Verschluss zu halten. Dabei wird Volts Doppelleben zu einer immer größeren Belastung.

Eine verdrehte Realität

Regisseur und Drehbuchautor Tarek Ehlail (Chaostage – We Are Punks! und Gegengerade – Niemand siegt am Millerntor) präsentiert eindrucksvoll eine doppelte Sicht auf ein und dasselbe Problem. Dem Zuschauer werden die Realitäten der Polizisten und der Transitzonenbewohner präsentiert, die beide nur ein Ziel haben: überleben. Der Film macht nachvollziehbar, warum die Polizisten, die jeden Tag in der Transitzone im Einsatz sind, ihre Skrupel weitgehend abgebaut haben. Diese Gefühlslosigkeit wirkt aber dennoch skurril und ruft durchaus gemischte Gefühle hervor.  Die Polizisten bedienen sich nicht nur rassistischer Begriffe, sie werten die Transitzonenbewohner zudem zu Menschen zweiter Klasse ab, was vor allem der Umgang mit dem Tod des Geflüchteten deutlich macht, denn die Unruhe, die die Tat hervorruft, stößt bei den Einsatzkräften auf völliges Unverständnis. Für sie steht nur eins fest: sie könnten ihren Job wegen eines "verkackten Blackies" (Zitat Film) verlieren.

Nach Aussage des Regisseurs passiert dies aber nicht aufgrund rassistischer Motive. Es handele sich dabei vielmehr um einen Zustand, in dem man sich mit eigenen Aussagen und Verhalten nicht näher auseinandersetze und der zum Alltag der Polizei geworden sei. "Sie übernehmen einfach den üblichen Arbeitsjargon", so Ehlail beim Filmz Festival.

Für diese Haltung spricht auch die Antwort des Protagonisten, die er seinem Arbeitskollegen und besten Freund  auf die Frage gibt, warum er die Tat nicht von Anfang an gestanden habe: "Weil es nichts geändert hätte."

Ein bitterer Nachgeschmack

Ob man Volt nun als überspitzt, aber dennoch realitätsnah, oder dystopisch und unwahrscheinlich betrachten möchte, muss jeder Zuschauer selbst entscheiden. Fest steht, dass Volt kein leichter Nachmittagsfilm ist. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Auch wenn der Film keinen genauen Anhaltspunkt gibt, wo genau sich die Situation abspielt, kann man sich als Zuschauer gut mit der Problematik identifizieren, gerade weil er aktuelle Problemfelder behandelt, unabhängig davon in welchem Staat man selbst lebt.

Die Schlussszene des Films greift diese Frage eindrucksvoll auf. Man sieht den gerade freigesprochenen, aber dennoch im Grunde schuldigen Volt, wie er durch eine lichtdurchflutete Landschaft wandert. Gleichzeitig werden Szenen aus der nächtlichen Transitzone gezeigt, wo ein bis dato unbekannter jugendlicher Transitzonenbewohner Volts Waffe findet und diese in jugendlichem Leichtsinn an sich nimmt.

Schatten und Licht. Gut und Böse. Schuld und Unschuld. Kann man das wirklich einfach voneinander unterscheiden? 

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