Filmkritik | Lucky Loser

07.12.2017
Freizeit
kan

Nico Sommer beweist mit seinem Film "Lucky Loser" eindrucksvoll, dass deutsches Kino wider Erwarten mancher ausländischer Stimmen auch lustig sein kann.

Mit hängendem Bauch und müdem Blick schaut Mike ungläubig durch den Türspalt. Dort steht sein Vermieter mit einer Menschentraube und erklärt ihm, dass er in zwei Tagen die Wohnung räumen müsse. Jetzt sei aber erst einmal Wohnungsbesichtigung. Der Vermieter tritt ein und Mike blickt starr auf die Menschen, die beginnen, seine Wohnung zu inspizieren. 

So beginnt Nico Sommers Film "Lucky Loser". Bereits jetzt ist klar, dass diese Episode der Auftakt zu einem viel größeren Chaos ist. Hauptcharakter Mike befindet sich gerade in einer mittlerweile neunjähringen Beziehungspause, hat eine 15-jährige Tochter und arbeitet in einer Autowaschanlage. Eigentlich hat er nur ein Ziel: er möchte seine Ex-Frau Claudia zurückgewinnen. Diese hat inzwischen einen neuen Partner und lebt mit ihm und ihrer Tochter in einer spießigen Vorstadtsiedlung. Im Gegensatz zu seiner Frau versteht sich Mike gut mit seiner Tochter Hannah. Nach einem Streit mit ihrer Mutter will Hannah zu ihrem Vater ziehen. Anstatt ihr zu beichten, dass er selbst keine Wohnung mehr hat, leiht er sich von einem Freund einen Wohnwagen und fährt mit Hannah auf einen brandenburgischen Campingplatz.

Mit Charme, Witz und Ironie

Lange habe ich nicht mehr so viel gelacht. Über 80 Minuten schafft es Nico Sommer, sein Publikum bei Laune zu halten. Eine skurrile Situation jagt die nächste, so als beispielsweise Hannahs schwarzer Freund Otto auf dem Campingplatz auftaucht. Mike will sich keine Blöße geben, geht in die nächste Apotheke und will für seine Tochter Kondome kaufen. Vollkommen ernsthaft diskutiert er dort mit der Apothekerin über unterschiedliche Größen und Oberflächen, obwohl genau erkennbar ist, dass ihm die Situation unglaublich unangenehm ist.

Gekonnt spielt Sommer mit Klischees und Vorurteilen. An mehreren Stellen wird Ottos Hautfarbe thematisiert und die Frage, woher er denn "wirklich" komme. Andere Camper fragen sich, ob es politisch korrekt sei, Otto als "schwarz" zu bezeichnen. So lässt Sommer einerseits Raum für gängige Klischees, gleichzeitig lässt er aber Otto für sich selbst sprechen. Routiniert reagiert er auf Vorurteile und hält den anderen Figuren so den Spiegel vor.

Trotz allem Witz ist der Film an keiner Stelle albern, überdreht oder belehrend. Besonders Annette Frier, die sonst eher aus Fernsehproduktionen bekannt ist, zeigt als Mikes Ex-Frau Claudia ihr schauspielerisches Talent. Zwar gab es ein Drehbuch, trotzdem bekamen die Schauspieler viel Freiraum für Improvisationen. Dies macht den Film sehr authentisch und lebensnah. 

Auf eine erfrischende Weise ist Lucky Loser ehrlich und naiv. Auch nach neun Jahren, in denen Claudia ihm mehr als einmal klargemacht hat, dass sie ihn nicht mehr liebt, hält Hauptcharakter Mike bis zuletzt an seiner Liebe zu ihr fest. Ihr Bild hängt weiterhin an seinem Rückspiegel und ein faustgroßes Herz mit der Inschrift "Claudia" ziert seinen Oberkörper. Bei jeder neuen Katastrophe wird unweigerlich Mikes Unerschütterlichkeit in Frage gestellt. Warum gibt er nicht einfach auf? Wahrscheinlich ist es genau diese Eigenschaft, die ihn so unglaublich sympathisch macht. 

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