Filmkritik | Licht

01.12.2017
Freizeit
lfa

Im Historienfilm "Licht" gewährt Regisseurin Barbara Albert einen tiefen Einblick in das Leben des blinden Klavier-Wunderkinds Maria Theresia Paradis. Der Kinostart ist der 1. Februar 2018.

Licht basiert auf dem Roman Am Anfang war die Nacht Musik von Alissa Walser und spielt im Jahre 1777 in Wien. Die 18-jährige Maria Theresia Paradis, kurz Resi (Maria-Victoria Dragus), ist als Klavier-Wunderkind in der Wiener Hofgesellschaft bekannt. Seit ihrem dritten Lebensjahr ist sie blind. Ihre Eltern (Lukas Miko und Katja Kolm) setzen vergeblich alles daran, ihr Augenlicht wiederherzustellen. Bis sie in die Obhut des Wunderheilers Franz Anton Mesmer (Devid Striesow) kommt. Die Therapie mit Fluiden schlägt an und Resi lernt allmählich wieder sehen. Doch die Sehkraft fordert einen hohen Preis. 

Resi und die Gesellschaft

Licht ist mehr als nur eine Biografie. Er kritisiert die Gesellschaft des 18. Jahrhundert und verhandelt das Gefühl von Machtlosigkeit seiner Protagonistin.

Obwohl Resis virtuoses Klavierspiel von allen geschätzt wird, ist sie gesellschaftlich nicht vollständig akzeptiert. Das liegt zum einen daran, dass ihre unbeholfenen Bewegungen und ihre sich jeder Kontrolle entziehenden Augen nicht dem Schönheitsideal entsprechen, zum anderen wird Blindheit an sich als Mangel wahrgenommen. 

In Mesmers Haus lernt Resi ein Leben ohne höfischen Manieren, gepuderten Perücken und engen Korsetts kennen. Gewöhnt an die Bevormundung ihrer Familie ist Resi anfangs überfordert in der fremden Umgebung und wird sich ihrer Behinderung mehr als je zuvor bewusst, weil sie jetzt zeitweise alleine ist. 

Nach und nach schlägt die Stimmung um: Resi fühlt sich unter den anderen Patienten Mesmers von den Zwängen der elitären Gesellschaft befreit. Und es ist als würden alle Patienten allmählich genesen. Wenn auch nicht körperlich, so doch seelisch. Dem unterkühlten, oberflächlichen Verhältnis zu ihren Eltern und Freunden am Hof steht eine vertrauensvolle Beziehung zu Stubenmädchen Agnes (Maresi Riegner) und Mesmer gegenüber.

Auf dem Weg zur Emanzipation

Zwar bringt man Resi in Mesmers Haushalt wenig Mitleid und Respekt entgegen, doch wird sie nicht komplett entmündigt. Das ermutigt sie, eigene Entscheidungen zu treffen. Zuvor beschränkte sich ihr Machtbereich nur auf das Klavierspiel: "Am Klavier fühle ich mich wie ein General."

Ihre anfängliche Angst vor dem Sehen wird von Neugier abgelöst. "Wie ist es", fragt sie Agnes, "das Sehen?"

Mit der Neugier eines kleinen Kindes lernt sie nach und nach ihre Umwelt kennen. Sie fasst alles Bekannte an und prägt sich dazu das Bild ein. Die Bewegung ihrer Augen werden bewusster und auch ihre Bewegungen sicherer. Die Eltern sind von ihren Fortschritten begeistert.

Zurück am Hof ihrer Eltern erfährt Resi nun eine ganz andere Behandlung. Das Mitleid schlägt in Häme um, denn sie ist beeindruckt von einem Misthaufen und fragt sich, warum kein Baum dem anderen gleicht. Dazu kommt, dass sie sich immer mehr Fehler in ihr Klavierspiel einschleichen. Die Reaktion darauf ist paradox: Fast scheint es, als habe man sie als Blinde besser in der Gesellschaft aufgenommen.

"Wer glaubst du, dass sie ist ohne ihr Talent, das ihr Gott gegeben hat", fragt der Vater Mesmer. Hier wird deutlich, dass ihre Identität nur über ihr Talent definiert ist. Darauf antwortet Resi: "Meine Augen hat mir auch Gott geschenkt" und lehnt sich das erste Mal in ihrem Leben gegen ihre Eltern auf.

Ein Blick auf die heutige Gesellschaft

Schöne Kleider, Gold, Prunk, Tänze und fröhliche Musik. Die hochkarätige Fassade entführt den Zuschauer in die Klassik. Besonders überzeugt die noch relativ unbekannte Hauptdarstellerin Maria-Victoria Dragus. 

Licht spart zudem nicht an ästhetischen pastellfarbigen Bildern. Auf den zweiten Blick reißt er die glänzende Fassade ein und gibt die Probleme dahinter frei. Was ist Schönheit? Was macht einen Menschen aus? Ist ein Stubenmädchen weniger wert, als ein Adeliger, eine Frau weniger als ein Mann, ein Blinder weniger als ein Sehender?

In Wirklichkeit sind alle anderen blind und Resi ist die einzige, die sehen kann. Klar und ohne Schleier vor den Augen. Der Film hat mehr zu bieten als schöne Kostüme und klassische Musik. Er erzählt die Geschichte einer Identitätsfindung, die durch die Gesellschaft unterdrückt wird. Seine Fragen beschäftigen uns noch heute. Barbara Albert hat schon in Nordrand und Böse Zellen Regie geführt. Auch hier erteilt sie eine wichtige Lektion über das Sehen: Es ist der subjektivste aller Sinne und unvoreingenommen zu sehen ist eine ganz besondere Begabung.

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