Fahrradfahren und Saufen - für die Wissenschaft

01.08.2014
Studium, Freizeit
ml

Zur aktuellen Diskussion über die Senkung des Grenzwerts bei alkoholisiertem Fahrradfahren und der Suche nach Menschen, die sich für die Wissenschaft betrinken - mehr im Artikel.

Zunächst benötigt Katja Luchmann für ihre Doktorarbeit eine Reihe von Probanden, die sich für die Wissenschaft betrinken. Die Ergebnisse ihrer Forschung könnten dann dazu führen, dass man in Zukunft nicht mehr straffrei betrunken Fahrrad fahren darf. Während der Famulatur in der Rechtsmedizin wurde der Medizinstudentin angeboten, ihre anstehende Doktorarbeit zum Thema "Alkoholintoxikation und die Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit auf dem Fahrrad" zu schreiben.

Wieviel Promille an welchem Lenker?

Derzeit ist es im öffentlichen Straßenverkehr erlaubt, bis zu einem Blutalkoholwert von 1,6 Promille ohne Strafe Fahrrad zu fahren, solange man nicht durch unsichere Lenkmanöver auffällt oder einen Unfall baut. Im Gegensatz dazu gelten für das Lenken eines Autos wesentliche geringere Grenzwerte. Wer bei einer Kontrolle mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut hat, dem droht ein Bußgeld für die begangene Ordnungswidrigkeit. Bei wem mehr als 1,1 Promille gemessen wird, der begeht eine Straftat. Bei auffälligem Verhalten hat die Polizei schon ab 0,3 Promille eine Handhabe gegen Autofahrer. Außerdem drohen Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot.

Bei Kontrollen von alkoholisierten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern auf Fahrrädern existieren für die Polizei keine Gefahrengrenzwerte, bei denen ein Eingreifen möglich ist. Erst ab der von der Rechtssprechung festgelegten Fahruntüchtigkeit von 1,6 Promille droht ein jähes Ende der Trunkenheitsfahrt auf zwei Rädern und möglicherweise sogar ein Führerscheinentzug.

Gefahrengrenzwert für die Verkehrssicherheit

"Mit dem gültigen Grenzwert von 1,6 Promille kann niemand sicher auf zwei Rädern unterwegs sein", sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Boris Pistorius, im Jahr 2013 und auch der damalige Bundesverkehrsminister Ramsauer griff die Forderung auf. Die oberste Maßgabe sei die Verkehrssicherheit und deswegen müsse man die Grenzwertfrage ganz praktisch diskutieren. Auch der Rechtsreferent des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Roland Huhn erklärt: "1,1 Promille wären ein klarer und eindeutiger Grenzwert, ab dem man weder Auto noch Fahrrad fahren darf." Doch alle Diskussionen über einen sinnvollen Gefahrengrenzwert oder die Gleichsetzung der absoluten Fahruntüchtkigkeit mit dem Lenken eines Autos bei 1,1 Promille basieren auf Untersuchungen in den 1980er Jahren oder neueren, noch nicht konklusiven, Voruntersuchungen.

Noch keine konklusiven Daten zur Fahruntüchtigkeit

Auf einem Symposium des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS) im Juni in Leipzig stellte Prof. Dr. Urban, Rechtsmediziner der JGU, erste Ergebnisse von Voruntersuchungen vor. Diese gäben Anlass, "nach Auswertung der geplanten 200 Einzelprobanden auf der Basis fundiertem Datenmaterials den bestehenden Fahrunsicherheits-Grenzwert von 1,6 Promille zu diskutieren." Auch Werte einer Studie in der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf lassen ähnliche Schlüsse zu.

Saufen für Wissenschaft und Sicherheit

Nun soll in der Studie von Doktorandin Katja Luchmann an der Universitätsmedizin der JGU getestet werden, ab welchen exakten Grenzwerten sich die Fahrfähigkeit bei steigendem Alkoholgenuss ändert. Dazu werden Probandinnen und Probanden gesucht, die drei Stationen mit dem Fahrrad durchfahren. Einmal nüchtern und dann mit steigenden Alkoholblutpegeln bis 1,5 Promille, soweit ein solcher Pegel ohne Probleme erreicht werden kann. Pro Durchlauf können ca. sechs Personen gleichzeitig an der Studie teilnehmen. Die recht allgemeinen Voraussetzungen sind die Fähigkeit Fahrradfahren zu können, die Volljährigkeit und ein mäßiger Alkoholgenuß in der Freizeit.

"Ich freue mich besonders über jede Oma, die mit mir aufs Fahrrad hüpft", sagt Katja Luchmann, denn für die Studie benötigt sie teilnehmende Personen jeden Alters. Für Studierende liegt die Studie besonders günstig, denn die verschiedenen Termine liegen ab Mitte August bis zum Ende der Semesterferien. Die Anmeldung zur 5-6 stündigen Trinkabendsimulation erfolgt per E-Mail unter kluchman(at)students.uni-mainz.de.

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