EU-Parlamentspräsident Schulz an der JGU: "Wer ist eigentlich die EU?"

01.12.2015
Freizeit
sb

Am 26. November 2015 luden die Jusos zur Podiumsdiskussion mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Wo er die aktuellen Herausforderungen Europas sieht, kannst du hier nachlesen.

Aktuelle Herausforderungen für Europa, so lautete der Titel der Veranstaltung und der Anlass für über 300 Besucher, sich in die Alte Mensa zu quetschen. Die Juso-Hochschulgruppe hat nicht nur auf dem Campus, sondern auch in der Stadt die Plakate verteilt und so sind es nicht nur Studierende in der Alten Mensa. Lokale Politikprominenz wie Oberbürgermeister Ebling, die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen, der Landtagsabgeordnete Johannes Klomann und JGU-Präsident Krausch sind ebenfalls anwesend.

Als Martin Schulz schließlich mit etwa 30 Minuten Verspätung ankommt, hält Herr Krausch eine Begrüßungsrede und berichtet vom Engagement der Uni für Flüchtlinge und der Bedeutung von Flüchtlingen für die Universitäten. Eine zentrale Aussage der Hochschulrektorenkonferenz vor wenigen Wochen sei gewesen, dass an deutschen Hochschulen kein Platz für Rassismus sei. Für diese Aussage erntet Krausch viel Applaus von den Zuschauerinnen und Zuschauern, bevor er das Rednerpult für Martin Schulz freigibt.

Die größte Herausforderung? Entsolidarisierung

Martin Schulz war einmal Buchhändler, doch seit 1994 ist er Mitglied des EU-Parlaments und wurde am ersten Juli 2014 zu dessen Präsidenten gewählt. Er kommt eigentlich aus Nordrhein-Westfalen und wenn er spricht, merkt man das auch noch ein wenig. Er entschuldigt sich für seine Verspätung: "Gau-Bickelheim oder so, jedenfalls da habe ich im Stau gestanden. Ich habe aber alle nachfolgenden Termine abgesagt." Die Rede von Schulz ist lang, aber nicht langweilig. Seine Position ist klar: Europa braucht Solidarität und die Probleme der Gegenwart und Zukunft können nicht durch stärkeren Nationalismus gelöst werden. Die Flüchtlingskrise wäre seiner Meinung nach auch keine Krise, "wenn sich nicht in Europa eine andere Krise durchsetzen würde, nämlich die der Entsolidarisierung. Dass die Ellenbogenmentalität sich durchsetzt.". Er erzählt, wie Viktor Orbán bei einem Fototermin neben ihm stand und die Flüchtlingskrise als "german problem" bezeichnet habe.

Man merkt ihm an, dass er unzufrieden ist. Man merkt ihm ebenfalls an, dass er trotz aller Schwierigkeiten an Europa und die europäische Idee glaubt. "Eine der ganz großen Herausforderungen ist der Zusammenhalt unserer Gesellschaft."  Martin Schulz stellt sich gegen Populisten: "Weil wer so heute redet, so verantwortungslos, der handelt auch morgen so verantwortungslos." Und weiter: "Der Nationalismus bedeutet am Ende immer das Unheil für unseren Kontinent." Deshalb brauche die EU trotz ihrer Unvollkommenheit Unterstützer, die sich für das Bestehen der Einheit einsetzen. Europa kaputt zu wählen sei gefährlich.

"Kommen Sie sich blöd vor?"

Ursprünglich sollte im Anschluss an die Rede eine Diskussion zwischen Doris Ahnen und Martin Schulz stattfinden, doch aufgrund der starken Verzögerung zu Beginn nehmen die beiden auf der kleinen Bühne Platz und geben dem Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ob man den Mitgliedsländern wie Polen, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, die EU-Gelder streichen könne, wird gefragt. "Ich bin kein Anhänger von Strafaktionen", sagt Schulz und erklärt, dass die EU die souveränen, frei gewählten Regierungen der Staaten akzeptieren müsse und keine Handhabung habe, solange nicht nachweislich Europarecht verletzt würde. Er hoffe, dass die neue polnische Regierung sich letztendlich an der gemeinschaftlichen Lösung beteiligen werde und dem Druck der anderen Mitgliedsländer nachgebe. Man könne ein souveränes Land am Ende nicht zwingen, sondern nur überzeugen. Deshalb arbeite er an der Überzeugung.

Ein weiterer Zuhörer fragt, ob Schulz sich nicht manchmal blöd vorkomme, wenn er trotz seiner machtvollen Position oft keine Umsetzung von Projekten erreichen könne. Das verneint dieser deutlich und fragt: "Wer ist eigentlich die EU? Ich habe nicht den Eindruck, dass ich auf der vollen Linie versage." Die EU besteht aus ihren Mitgliedsstaaten und deren Regierungen und sei nur so handlungsfähig, wie diese Regierung sie sein lassen. "Viele Vorurteile, die ich mir jeden Tag anhören muss, sind keine Vorurteile.", meint Schulz und räumt ein, dass die EU in einem schlechten Zustand sei. "Wir klempnern immer so ein bisschen rum", sagt er. Die EU bekomme von den Regierungen nicht die Instrumente, die sie bräuchte, um die Kompetenzübertragungen voll ausnutzen zu können. So entstünde ein "Frankenstein-Europa".

In der Veranstaltung werden viele Themen  angeschnitten. Wirtschaft, Sozialwesen, die Flüchtlingssituation, die Leistungsfähigkeit der EU, die AfD und der Terror durch ISIS sind nur einige. Leider bleibt auch genauso vieles an der Oberfläche, denn für einen tieferen Austausch fehlt die Zeit zur Diskussion. Schulz vertritt seine Ansicht energisch und beantwortet die Fragen augenscheinlich so gut er nur kann. Ob er damit auch alle Zuhörer überzeugen konnte,  die EU zu unterstützen, können diese nur selbst entscheiden.

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