Emily Abroad: Faszination für deutsche Kultur

24.08.2015
Freizeit
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Mit dem „Rheingold“ von Richard Wagner hat alles angefangen – mittlerweile macht Emily aus Vermont (USA) ihren Master in Mainz und bloggt darüber auf emilysarahabroad.com.

Richard Wagner, Thomas Mann, Friedrich Nietzsche… Emily kennt die deutsche Literatur und Kunst wahrscheinlich besser als die meisten Deutschen selbst. Eine nicht gerade alltägliche Leidenschaft für eine junge Frau. Und umso außergewöhnlicher noch für eine junge Frau aus den USA.

Wie wird also aus einer jungen Amerikanerin ein passionierter Fan der deutschen Kultur?

Kindheit und Studium in den USA 

Emily kommt aus einem kleinen Dorf in Vermont, im Nordosten der USA. Eine sehr ländliche Gegend, ihr Heimatdorf habe nur um die 800 Einwohner, erzählt sie. Ihre Familie hat dort einen Bauernhof mit Schafen und Lamas sowie einer Frühstückspension.

Obwohl sie schon viel rumgekommen ist, sie hat in Michigan und Mainz studiert und viele deutsche Städte bereist, sei dieser Ort ihre Heimat, sagt Emily und nach wie vor „der schönste Ort der Welt“ für sie. 

Emily wurde „home schooled“, das heißt, sie hat nie eine öffentliche Schule besucht, sondern wurde zuhause unterrichtet. Was in Deutschland verboten ist, wird in den USA immer beliebter. 

„Da hat man wirklich Zeit, die eigenen Interessen zu entwickeln, zu pflegen. Ich mein‘, ich hab ja nur Thomas Mann gelesen und deutsche Oper gehört und so weiter. Man hat die Freiheit, wirklich komisch zu werden.“

Studiert hat sie dann Altphilologie und Deutsch an einem kleinen College in Michigan. Und klein heißt in diesem Fall wirklich klein: Mit nur 1200 Studierenden eigentlich das Gegenteil von der JGU mit ihren 36.000 Studierenden. 

Das Fach Deutsch habe sie aus Liebe gewählt, sagt Emily, weil sie sich sehr für die deutsche Literatur interessierte. Es sei ihr auch sofort klar gewesen: „Ich muss nach Deutschland gehen.“ 

Der Blog: „Man erzählt die eigene Geschichte und braucht ein Publikum“

Viele Studierende, die verreisen oder im Ausland studieren, fangen an zu bloggen. Meist geht es darum, Familie und Freunde zuhause auf dem Laufenden zu halten. Das ist bei Emily auch ein Grund. Aber nicht der einzige. 

Reisen zu dürfen sei ein Privileg für sie, sagt Emily, und daraus möchte sie etwas machen. Sie will nicht einfach nur die Zeit vorbei gehen lassen, sondern nachdenken, Fragen stellen und alle ihre Gedanken und Erfahrungen festhalten. Und sich damit gegen das Vergessen wehren. 

Mit ihrem Blog kann sie andere Menschen an ihren Erlebnissen in Deutschland teilhaben lassen. Sie freue sich, wenn andere Menschen sich dafür interessieren, wenn sie Fragen stellen und Kommentare schreiben. Emily hofft, dass ihre Leser Deutschland vielleicht dadurch auch ein bisschen in einem anderen Licht sehen. 

Außerdem sei der Blog für ihre Karriere von Vorteil. Emily möchte Professorin für Deutsche Literatur in den USA werden. Deshalb seien die Erfahrungen, die sie jetzt in Deutschland macht, so wichtig für sie. „Man kann kein guter Lehrer oder Professor sein, wenn man keine Ahnung hat, wie das alles in der Wirklichkeit aussieht“, erklärt Emily. 

Ein bisschen sei das Ganze auch Selbstinszenierung. Wenn Emily davon erzählt, wird wieder deutlich, dass sie voll und ganz Literaturwissenschaftlerin ist. Die Emily, die man auf dem Blog findet, sei nicht unbedingt die Emily, die jeden Morgen an die Uni geht, sagt sie. Das sei ein Unterschied, aber das wüssten die Leute nicht unbedingt. Und das sei diese „Spannung zwischen Dichtung und Wahrheit“, die ihr so viel Spaß mache. 

„Und dann gab es nur noch Wagner“

Ihre Leidenschaft zur deutschen Kultur entdeckte Emily eher zufällig. Mit 16 Jahren war sie auf einem Flohmarkt in einem kleinen Dorf in Vermont. Zu dieser Zeit habe sie gerade angefangen, sich für klassische Musik zu interessieren. 

Da sei sie auf eine CD gestoßen: Richard Wagners „Das Rheingold“, die erste Oper im Ring des Nibelungen, der insgesamt aus vier Musikdramen besteht. 

Nach Wagner sei sie zu Thomas Mann gekommen, dann zu Nietzsche, und der ganzen deutschen Literatur und Philosophie. 

Die richtigen Fragen

Warum eigentlich gerade die deutsche Kultur? Unsere Sprache gilt im Ausland bekanntermaßen nicht gerade als die schönste aller Sprachen und über Deutschland im Allgemeinen existieren doch gewisse Vorurteile. 

Davon wusste Emily jedoch nichts, als sie im Teenager-Alter „Das Rheingold“ entdeckte.

Sie werde oft gefragt, warum sie sich so für Deutschland interessiere, erzählt Emily. Ihre Antwort:

„Die deutsche Kunst, Deutschland selber, die stellen die Fragen, die mich interessieren. Und ich will mich den Rest meines Lebens mit diesen Fragen beschäftigen.“ 

Die erste Reise nach Deutschland

2012 ist Emily zum ersten Mal im Rahmen eines Austauschprojektes nach Deutschland gekommen. Dabei verbrachte sie einen Sommer in Würzburg. In dieser Zeit ist auch ihr Blog entstanden, der zu diesem Zeitpunkt aber eher für ihre Familie gewesen sei. 

An ihrem ersten Abend war Emily zusammen mit ihrer Austauschgruppe in der Stadt. Da habe ein Professor gefragt: „Interessiert sich jemand für Wagner?“ Denn in Würzburg steht das ehemalige Wohnhaus Wagners.

„Plötzlich stand ich vor seinem Haus. Und da hab ich gesagt, hier bin ich richtig. Ich will wieder hierherkommen und irgendetwas hier machen.“

Die erzählerische Sichtweise eines Bloggers

Nach ihrer ersten Deutschlandreise hat Emily ihren Blog „geschlossen“, als sie wieder zurück in die USA gegangen ist. Der Blog heißt schließlich „Emily Abroad“, also „Emily im Ausland“. Trotzdem habe sie dieses Mal nicht vor, das Bloggen nach ihrer Zeit in Deutschland zu beenden.  

Nachdem man so intensiv in einem anderen Land gewohnt hat, sei einem das eigene Land ein bisschen fremd geworden, man sehe dieses Land anders an und es sehe auch anders aus, erklärt Emily. „Jetzt bin ich eigentlich immer Emily Abroad“.

Durch das regelmäßige Schreiben bekomme man außerdem eine andere Sicht auf die Welt, erklärt Emily. Erzählerische Sichtweise, nennt sie es. Man gehe raus und denke immer sofort „wie kann ich die Leute hier, die Stimmung, wie kann ich das erzählen?“. Und diese Sicht wird sie auch in Zukunft bei behalten, vermutet Emily. „Ich werde diese Sichtweise nicht einfach loswerden, weil ich dann wieder in den USA bin.“  

Das Leben in Mainz

Emily sagt, sie schätze die Kultur und die Menschen in Mainz. Die Leute hier seien „einfach toll“, genau wie die Stadt mit dem Wochenmarkt, den Weinstuben und dem Rhein, schließlich hatte auch alles mit dem „Rheingold“ angefangen.

An der Uni Mainz studiert Emily allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft. Das Uni-System in Deutschland sei allerdings ganz anders als das in den USA, daran habe sie sich erst gewöhnen müssen, sagt Emily. 

Studieren in Amerika: Mit dem Prof Bier trinken und Heidegger diskutieren 

An den amerikanischen Universitäten sei alles viel persönlicher, besonders der Umgang der Professoren mit ihren Studierenden. Ein Philosophie-Professor habe seine Sprechstunden immer freitagabends in einer Bar gehalten, erzählt Emily. „Das ganze Seminar ist immer da hingegangen und hat dann Bier mit ihm getrunken und stundenlang Heidegger diskutiert.“ Eine tolle Sache, findet Emily. Leider könne man sich so etwas in Deutschland überhaupt nicht vorstellen.

Es gebe aber auch Vorteile am Studium in Deutschland. In den USA habe sie „gelernt, gelernt und nichts anderes.“, erzählt Emily. In Deutschland habe sie dagegen mehr Zeit für andere Dinge. Unter anderem natürlich für ihren Blog, der vielleicht auch für den ein oder anderen Mainzer einen neuen Blick auf seine Stadt bietet.

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