Einschränkung der freiheitlichen Hochschullehre in Belarus

22.10.2020
Studium
ms

Seit den Präsidentschaftswahlen in Belarus am 9. August protestieren große Teile der Bevölkerung gegen das Ergebnis. Darunter sind auch Studierende und Lehrende, doch auch ihre Kritik wird unterdrückt.

Die Demonstrierenden fordern Wiederwahlen, da die Wahlen laut der Organization for Security and Cooperation in Europe (OSCE) unter der Gewalt des belarussischen Staates gewesen sei. Derweil geht der Staat mit Gewalt und Willkür gegen diese Demonstrationen vor. Auch viele Studierende beteiligen sich an den Protesten, trotz der brutalen Vorgehensweise des Staates gegen die Teilnehmer:innen.

Studentische Solidarität in Belarus

Die Studierenden haben ihr Semester nicht wie üblich in den Hörsälen, sondern demonstrierend auf den Straßen begonnen. "Wir haben keine Angst! Die Studierenden sind mit dem Volk", protestieren diese in Minsk, der Hauptstadt von Belarus. Zudem werden auch die Studierenden, Dozierenden und das Personal der Universitäten Opfer der staatlichen Verhaftungen sowie Gewaltanwendungen.

Doch für die Studierenden ist ganz klar, dass sie sich solidarisch mit ihrem Land zeigen wollen: Einer der Demonstrierenden betont, er habe keine Angst vor Exmatrikulation oder anderen möglichen Repressionen. "Mir ist wichtig, was mit unserem Land passiert", so der Studierende.

Doch seit dem 1. September setzt der Staat die Hochschulen und das Personal vor Ort zudem unter Druck, indem dieser anonym sowie willkürlich Personen in den Hochschulen verhaftet oder körperlich angreift. Auch die Hochschulleitungen werden durch den Staat unter Druck gesetzt, indem diese die freie Meinungsäußerung verbieten sollen.

Derweil werden sowohl Stimmen innerhalb der Hochschulen als auch in der Bevölkerung lauter, die das Ende der Gewalt und Willkür fordern.

Solidaritätsbekundungen über die Landesgrenzen hinaus

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) solidarisiert sich mit den Studierenden, Professor:innen, Wissenschaftler:innen und dem gesamten Personal der Hochschulen in Belarus.

Im Rahmen seiner Unterstützung verweist der AStA auch auf das Engagement der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO). So hat die DGO u.a. eine Petition gestartet, welche die belarussischen Machthaber:innen explizit dazu auffordert, die Repressionen an Universitäten in Belarus zu unterlassen. Unter den 2.184 Unterzeichner:innen (Stand: 21. Oktober 2020) der Petition sind auch Lehrende der JGU, u.a. Dr. Maik Sach und Prof. Dr. Hans-Christian Maner vom FB 07 für Geschichts- und Kulturwissenschaft sowie Prof. Dr. Rainer Goldt vom FB 05 für Philologie und Philosophie.

Prof. Dr. Goldt lehrt am Institut für Slavistik, Turkologie und zirkumbaltische Studien. Er hat sich an der Petition der DGO beteiligt, da "Recht und Wahrheit niemals Funktionen der Macht sein dürfen." In Universitäten sieht er weltweite "Gradmesser der Freiheit". Diese Institutionen anzugreifen, komme damit "der Aufkündigung eines zivilisatorischen Grundkonsenses" gleich.

 

Breite Unterstützung der Zivilgesellschaft

Neben Lukaschenko kandidierte auch die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, welche eigentlich Fremdsprachenlehrerin ist, bei der Präsidentschaftswahl. Eigentlich sollte ihr nun inhaftierte Mann Sergej Tichanowski zur Wahl antreten, der sich zuvor öffentlich gegen Korruption und Missstände in Belarus einsetzte. Seit seiner Verhaftung fungiert Tichanowskaja als Symbolfigur des öffentlichen Protestes und repräsentiert die breite Zivilgesellschaft. Um der Fahndung wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Strafgesetzbuch zu entgehen, befindet sie sich derzeit im Exil in Litauen. Doch Tichanowskaja setzt sich trotzdem weiterhin für eine https://bnn.de/nachrichten/deutschland-und-welt/russland-schreibt-tichanowskaja-zur-fahndung-ausein. Denn die belarussische Zivilgesellschaft fordert nach wie vor unter dem Spruch: "Jetzt handeln wir!" Freiheit, Respekt und Toleranz sowie Absetzung des amtierenden Präsidenten Lukaschenko.

Interventionsversuche von außen

Im Falle Belarus greift international das Souveränitätsprinzip, nach dem Belarus unabhängig von anderen Staaten über die Art der Regierung, das Rechtssystem und dortige Gesellschaftsordnung bestimmt. Somit können andere Staaten nur durch Sanktionen intervenieren. In einem Interview mit der Menschenrechtsaktivistin Olga Karatsch von Stefan Wirner wird deutlich, dass die derzeitige Situation auch mit Blick auf die Reaktion anderer Staaten weiterhin angespannt bleibt.

Seit dem 2. Oktober sind Sanktionen seitens der Europäischen Union gegen Belarus in Kraft. Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel handeln diese Sanktionen "gegen die, die sich gegen die demokratische Bewegung stellen." Insgesamt 40 Personen sind von den Sanktionen betroffen, unter anderem der belarussische Innenminister Juri Karaeu sowie Mitglieder der Wahlkommission. Die Sanktionen umfassen Einreiseverbote sowie Vermögenssperren. Dadurch können die betroffenen Personen das EU-Gebiet nicht als Transit nutzen und ihr Vermögen auf europäischem Boden wurde eingefroren.

Karatsch appelliert an die internationale Gemeinschaft, den Personen, die für Repressionen, Entführungen, Folter, Morde und Bedrohungen verantwortlich sind, mit Sanktionen zu drohen. Aufgrund dieser brutalen Reaktion auf die Proteste haben die Menschen Karatsch zufolge ihre Einstellung gegenüber Lukaschenko geändert. Das wiederum macht die Aktivistin zuversichtlich, dass die derzeitigen Demonstrationen Erfolg haben werden. Denn "die Menschen werden nicht akzeptieren, dass Lukaschenko an der Macht bleibt." Dass die Protestbewegung von großen Teilen der Zivilgesellschaft unterstützt wird, auch von Studierenden, Lehrenden und Personal der Universitäten, verdeutlicht die Unzufriedenheit mit dem System und das Verlangen nach mehr Freiheit und Demokratie.

 

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