Im Studiengang Humanmedizin müssen 19 Erstsemester ihren Studienplatz wieder abgeben, nachdem das Verwaltungsgericht Mainz ihnen im Januar dieses Jahres den Platz an der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz zugesprochen hatte. Zu dieser Entscheidung kam das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz sechs Monate später.
Auch ein Härtefallantrag, mit dem sich zwei Betroffene an Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Bildungsministerin Stefanie Hubig und Wissenschaftsminister Konrad Wolf wandten, wurde von der Landesregierung abgelehnt.
Die zwei Antragsteller, die anonym bleiben möchten, schildern in dem Schreiben zunächst den Ursprung ihrer Situation: Im Sommersemester 2016 habe die Uni Mainz "vorsorglich mehr Studierende für den Studiengang Humanmedizin angenommen, um später freibleibende Plätze zu verhindern".
Allerdings sei es dann zu einer "Überbuchung" von 35 Personen gekommen, da weniger Absagen und Exmatrikulationen eingingen als erwartet. Daraufhin habe die Uni das Ministerium um finanzielle Mittel für die zusätzlichen Studienplätze gebeten.
Das Ministerium verweigerte diese jedoch. Stattdessen solle die Überbuchung von der Kapazität des Folgesemesters (Wintersemester 2016/17) abgezogen werden.
An dieser Stelle kommen die Studienplatzkläger ins Spiel. Personen, die auf einen Studienplatz klagen, beauftragen spezialisierte Rechtsanwälte, die Fehler in den Kapazitätsberechnungen aufspüren. Das haben sie auch in diesem Fall getan.
Das Verwaltungsgericht Mainz kam für das Wintersemester 2016/2017 zu der Entscheidung, dass die JGU noch Kapazitäten für 38 weitere Studienplätze in Humanmedizin habe. Hintergrund: Die Universität hatte die Anweisung des Ministeriums, die Überbuchung aus dem vorigen Semester wieder auszugleichen, befolgt und daher in diesem Semester weniger Studienplätze vergeben.
Von den Klägern wurden 38 Personen per Losverfahren ausgewählt, die diese Plätze erhalten sollten. Da die Entscheidung erst im Januar dieses Jahres fiel, haben die Ausgelosten ihr Humanmedizin-Studium im Sommersemester 2017 begonnen.
Die Uni Mainz erhob Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) gegen den Beschluss, weil sie es für fehlerhaft hielt. Tatsächlich fehlten ihr aufgrund der Entscheidung des Ministeriums aber auch die finanziellen Mittel. Das OVG kam im Juni zu dem Schluss, dass nur die Hälfte der 38 Studienplätze von der JGU zur Verfügung zu stellen waren, sodass also die zweite Hälfte der ausgelosten Erstsemester ihren Platz wieder verlieren sollte.
Die Antragsteller machten in ihrem Schreiben nun auf die besondere Situation aufmerksam: Da das OVG somit die Rechtsauffassung des Ministeriums bestätigte, sei es zu einem Einzelfall gekommen, so die Betroffenen in ihrem Härtefallantrag. Eine solche Entscheidung wie die vom Verwaltungsgericht Mainz könne aufgrund der Rechtsprechung des OVG nicht wieder vorkommen. Deshalb baten sie das Ministerium um eine einmalige Finanzierung der 19 Studienplätze.
Mehr als zwei Monate später dann die Antwort von Wissenschaftsminister Konrad Wolf: Der Bitte, eine Fortführung des Studiums zu ermöglichen, könne er aufgrund mangelnder Ausbildungskapazitäten nicht entsprechen. Damit haben die 19 Erstsemester ihren Studienplatz endgültig verloren. Ende September werden sie exmatrikuliert.
Viele Familien ziehen vor Gericht, weil sie keine reale Chance im Bewerbungsverfahren sehen. 20 Prozent der Studienplätze werden in einem bundesweiten Vergabeverfahren über den NC vergeben – wer kein 1,0-Abitur hat, hat hier praktisch keine Chance. Weitere 20 Prozent werden über die Wartezeitquote vergeben. Derzeit muss man 14 Semester oder länger warten, um über die Wartezeit die Chance auf einen Studienplatz in Medizin zu bekommen. Zum Vergleich: In derselben Zeit hätte man – bei Regelstudienzeit – sein Studium bereits seit zwei Semestern beendet.
Wer nicht so lange warten möchte, dem bleiben die restlichen 60 Prozent der Studienplätze, die über Auswahlverfahren der Hochschulen nach eigenen Kriterien vergeben werden. In Mainz kann man seine Chancen durch den Test für Medizinische Studiengänge (TMS) oder eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in Gesundheitsfachberufen steigern.
Da im Fach Medizin jedoch bundesweit auf jeden Studienplatz fünf Bewerber kommen, dürften die Chancen dennoch gering sein, eine Zusage zu erhalten. Deshalb bleiben für viele Medizininteressierte nur noch zwei Möglichkeiten, um an einen der begehrten Studienplätze zu gelangen: Im Ausland studieren oder eben die Studienplatzklage.
Die hohe Gewichtung des NC und der Wartesemester stehen nicht nur deshalb in der Kritik, weil sie den Zugang zum Medizinstudium extrem erschweren, sondern auch, weil sie nichts über die wahre Eignung der Bewerber für medizinische Berufe aussagen.
Aus diesem Grund verhandelt das Bundesverfassungsgericht am 4. Oktober, inwiefern dieses Vergabeverfahren überhaupt mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist. Es bleibt also abzuwarten, ob das Zulassungsverfahren in dieser Form überhaupt weiter bestehen wird.
Für die 19 Medizin-Erstis, die ihren Studienplatz verloren haben, dürfte das nur ein schwacher Trost sein.
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