Ein Jahr Pandemie, drei Perspektiven

27.05.2021
Studium
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Ob Onlinevorlesungen statt Hörsaalbesuche oder Spazieren statt WG-Partys – das Coronavirus stellt für Studierende seit mehr als einem Jahr den Alltag und das Privatleben auf den Kopf.

Traumstudiengang in der Warteschleife

Marie (Name von der Redaktion geändert) hat durch Corona die Pläne ihrer Studienwahl verändert. Aktuell studiert sie im siebten Semester Biologie an der JGU, sieht ihre Interessen und Stärken jedoch viel mehr in der Eventbranche. Hätte diese nicht so sehr im Zuge der Corona-Situation gelitten, hätte sie wahrscheinlich schon längst den Schritt gewagt und trotz fortgeschrittenem Studium in das Fach Eventmanagement gewechselt. Ihre Pläne habe sie jedoch noch nicht endgültig verworfen, sondern lediglich in die Warteschlange gestellt. Nun heißt es für Marie vorerst weiter Pflanzen bestimmen und erst im nächsten Jahr in Richtung beruflicher Ziele studieren.

Wie ihr Traumstudiengang bereits ahnen lässt, beschreibt sich Marie als eine sehr unternehmungslustige und kontaktfreudige Person. Das ständige Spazierengehen würde sie somit liebend gern gegen lange Partynächte austauschen. Umso dankbarer ist sie für den Sommer des letzten Jahres, in dem sie noch Sport, wie Lacrosse und Tennis, ausüben durfte und auch den ein oder anderen Abend mit Freund:innen ausgekostet hat. Im Übergang zum Herbst ist mit der Anzahl von erlaubten Kontakten auch ihre Laune gesunken. Als positiven Effekt nimmt sie jedoch die Intensität von sozialen Beziehungen wahr und vermutet, "dass sich viele Freundschaften durch Corona sehr verstärkt haben."

Ups and Downs im Home-Office-Studium

Emat (Name von der Redaktion geändert) studiert Bauingenieurwesen an der Hochschule Rhein Main. In seinem Fach finden Vorlesungen nach wie vor live statt, nur eben in digitaler Form. Da er via Online-Meetings mehr Hemmungen hat Fragen zu stellen und auch dem:der Dozierenden die ahnungslosen Gesichter nicht so bewusst werden würden wie im Präsenzunterricht, empfindet er das Lernen schwieriger als vorher.

Zudem vermisst er wie so Viele seine bevorzugte Lernumgebung, die Bibliothek. Seit Corona sind Bibliotheksbesuche mit Anmeldungen, gekürzten Öffnungszeiten und dem Verzicht auf Kaffeekränzchen in der Mensa verbunden.

Dennoch muss er anerkennen, dass Studieren von zu Hause auch Vorteile birgt. So konnte er, trotz Kreuzbandriss, ohne Probleme an allen Veranstaltungen teilnehmen. Insgesamt belastet ihn aber vor allem sein durch Corona bedingter Mangel an Motivation und an sozialen Kontakten. Somit werden Einkäufe immer wieder auf morgen verschoben und auch die Treffen mit seinen Freund:innen zum Fußballspielen bleiben aus. Emat meint: "Jede:r hat halt Corona-Phobie." Deshalb führe er manchmal schon Selbstgespräche, gibt er lachend zu.

Von Monotonie und Melancholie

Zeit mit der Familie, Sport, Backen und alte Hobbys wie Posaunespielen haben Anna (Name von der Redaktion geändert) in dieser für sie sonst eintönigen Pandemie geholfen. Denn auch sie leidet unter der Monotonie, die dadurch verstärkt wird, dass sie kaum Freund:innen treffen kann und ihr Studium mittlerweile nur noch online läuft. Sie studiert Lehramt an der JGU und berichtet ebenfalls von Lerntiefs und erschwerten Bedingungen, um neue Leute kennen zu lernen und sich weniger einsam zu fühlen.

Dennoch weiß sie, wie wichtig die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen ist und dass damit einhergehende Einschränkungen nicht mit möglichen, schwerwiegenden Konsequenzen aufwiegen können: "Die Sache mit meinem Papa war für mich absolut das Schlimmste", erzählt sie mit bedrückter Stimme. Annas Vater war Risikopatient und lag kurz vor unserem Interview corona-positiv und mit schweren Hirnschäden im Koma auf der Intensivstation. Besuche von der Familie waren dort nicht gestattet, einzig ihre Mutter durfte ihn nach seiner Entlassung aus der Intensivstation ab und zu im Krankenhaus besuchen. Im Interview ist Anna den Tränen nahe und befürchtet, nie wieder normal mit ihrem Vater reden zu können. Circa zwei Wochen nach unserem Gespräch erreicht uns die Nachricht, dass ihr Vater an den gesundheitlichen Folgen verstorben ist.

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