Unter der Mainzer Zitadelle, im atmosphärischen Gewölbekeller der Kulturei Mainz, erweckt das Theaterensemble Mienenspiel an vier Abenden das Live-Hörspiel "Martha Gellhorn. Stimme des Krieges" zum Leben. Mit einer Mischung aus Sprechtheater, Livemusik und Livegeräuschen taucht das Publikum in die Welt der wohl bedeutendsten Kriegsreporterin ein.
Madrid 1937: Rotlicht. Ein metallisches Dröhnen kündigt den nahenden Untergang an, während im Bunker Panik ausbricht. Bomben schlagen auf die zertrümmerte Stadt ein. Und mittendrin: Martha Gellhorn.
Der breiten Öffentlichkeit war sie lange Zeit vor allem als Ernest Hemingways dritte Ehefrau bekannt – ist aber keineswegs darauf zu reduzieren. Mienenspiel zeigt sie in einem ganz anderen Licht: Als eine der mutigsten Kriegsreporterinnen ihrer Zeit, eine starke Frau, die sich im männerdominierten Journalismus behauptete, und als eine Heldenfigur.
Autor und Regisseur des Livehörspiels ist Philipp Neuweiler. Seine Recherchen für das Stück basierten zu großen Teilen auf Gellhorns Reportagen, Briefen und Kurzgeschichten – Neuweiler integrierte aber auch gezielt fiktionalen Elemente, die Gellhorns umfangreiches Leben kompakter und zugänglicher präsentieren.
Das Publikum begleitet Gellhorn durch die großen Kriegsschauplätze des 20. Jahrhunderts – vom Spanischen Bürgerkrieg über die Landung in der Normandie bis hin zur Befreiung des Konzentrationslagers Dachau und dem Vietnamkrieg. Zu einer Zeit, in der Journalismus vorrangig von Kriegspropaganda geprägt war, hielt sie in ihrem Schreiben die Einzelschicksale der Zivilbevölkerung fest, die am meisten unter den Kriegsgräueltaten litt: Eine Mutter, die noch immer ihr totes Kind an der Hand hält, ausgehungerte Überlebende in der "Todesfabrik". Sie erzählte die wahren Geschichten des Krieges von "Leid, Hunger, Flucht und Tod".
Die Inszenierung glänzt durch ihre technische Umsetzung: Livemusik, Percussion und Akustik kreieren ein "Kopfkino für die Ohren". Besonders beeindruckend: Geräuschemacherin Simone Nowicki, die für den selbsternannten "Krach" verantwortlich ist, bricht mal Lauch-Stangen, fährt mit der Hand durchs Wasser oder stülpt Gartenhandschuhe in einen Motorradhelm. Klingt absurd, ist aber effektiv.
Allerdings wurde die Akustik stellenweise überwältigend: So gut die Intensität durch Geschrei erzeugt wurde, brachte es das Publikum im kleinen Raum öfter zum Zusammenzucken – hier könnte weniger mehr sein. Alternativ empfiehlt sich ein Platz in den hinteren Reihen.
Besonders stark – ein Moment, in dem der Raum förmlich die Luft anhielt – war die Szene, in der Gellhorn das von der US-Armee befreite Konzentrationslager Dachau betritt. Dieser Anblick prägt sie nachhaltig und auch ihre schwere psychische Belastung danach wird eindringlich thematisiert.
Ein spannender Kontrast zur düsteren Kriegsatmosphäre war die Darstellung der Madrider Hotelangestellten, die trotz eines Granateneinschlags im Hotel eine absurde Leichtigkeit zeigten. Die künstlichen spanischen Akzente wirkten jedoch teilweise albern und brachten wenig Mehrwert: Die eigentliche Absurdität sollte ja nicht in der Sprache liegen, sondern in der Art, wie die Madrider Tod und Zerstörung gelassen als neue "Alltagsnormalität" akzeptieren.
Das freie Theaterensemble gründete sich ursprünglich 2013 als Hochschultheatergruppe an der Johannes Gutenberg-Universität und läuft unter dem Motto "Mit Freunden (Live-)Hörspiele machen." Seit die Gruppe Livehörspiele für sich entdeckte, spielte sie unter anderem Eigenproduktionen wie "Der Leichenräuber" "Lazarus" oder "Orson Welles und der Krieg der Welten". Letzteres Stück wurde 2018, in Koproduktion mit der Lauscherlounge, vom OhrCast als bestes Hörspiel nominiert.
Gellhorn ebnete für viele Frauen den Weg in den Journalismus. In einer Welt des Kriegs schrieb sie gegen die Kriegspropaganda an und berichtete von dem unmittelbar Fassbaren: Menschlichkeit. Ihr Vermächtnis bleibt in der heutigen Zeit, die erneut von Kriegen geprägt ist, hochaktuell. Mienenspiel beherrscht die Kunst, all die verschiedenen Elemente gekonnt zu verzahnen, um Gellhorns Geschichte zum Leben zu erwecken – und den Zuhörenden Eintritt in ihre Welt zu gewähren.
"Martha Gellhorn. Stimme des Krieges" feierte am 16. August um 19.30 Uhr seine Uraufführung auf der Hörspielwiese Köln. Nach der Premiere in Mainz am 20. August folgen die nächsten Aufführungen in der Kulturei am 22. und 24. August um 19 Uhr sowie am 24. August um 16 Uhr. Karten gibt es auf der Webseite, regulär für 18 Euro bzw. ermäßigt für elf Euro, oder mit etwas Glück an der Abendkasse.
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