Inzwischen sieht man sie überall in Mainz, am Straßenrand geparkt oder von einzelnen Personen oder Gruppen durch die Innenstadt gesteuert. Seit dem 7. August gibt es die heiß diskutierten E-Scooter nun auch hier. Da startete der Berliner Anbieter Tier Mobility mit 100 mintgrünen Fahrzeugen den Betrieb in Mainz. Auch auf dem Campus der JGU gab es in den ersten Tagen etwa fünf bis zehn Roller, die laut Tier Mobility rege genutzt, in die Innenstadt und wieder zurückgefahren wurden.
Über eine App können die E-Scooter geortet und per Sharing-Konzept ausgeliehen werden. Dazu muss ein QR-Code eingescannt und die Fahrt über das Smartphone gestartet werden. Ein Signalton am Roller meldet dann, dass das Gerät aktiviert ist. Wie bei einem Tretroller kann der Fahrer sich dann mit einem Fuß daraufstellen und mit dem anderen abstoßen. Zusätzlich wird mit einem Griff auf der rechten Lenkradseite der Elektromotor bedient und kann auf bis zu 20 km/h beschleunigt werden. Ein Tacho in der Mitte des Lenkrads zeigt die aktuelle Geschwindigkeit an. Mit Handbremsen auf beiden Seiten des Lenkrads und bei einigen Modellen über dem Hinterrad kann der E-Scooter abgebremst werden.
Hat man sein Ziel erreicht, wird der Roller abgestellt und die Fahrt über die App beendet. In manchen Bereichen ist das Parken jedoch nicht erlaubt, hier kann die Fahrt nicht beendet werden. Das Parkverbot gilt in Mainz zum Beispiel am Rheinufer, in den Fußgängerzonen der Altstadt und auf dem Bahnhofsvorplatz. Diese Zonen sind auf einer in der App gezeigten Karte rot schraffiert. Bezahlt wird per PayPal oder Kreditkarte am Ende der Fahrt. Bei Tier Mobility kostet der Service außerdem eine Pauschale von einem Euro plus 15 Cent pro Minute Benutzung.
In den ersten eineinhalb Wochen sah man die Tier-Scooter auch auf dem Campus der JGU stehen – zum Beispiel vor der Zentralmensa, dem ZDV und dem Georg-Forster-Gebäude. Wer nun einen Blick in die App wirft, bemerkt: Der Uni-Campus wurde zur "roten Zone", das heißt: Die Fahrt kann auf dem Campus nicht beendet werden. Das Gelände der Hochschule Mainz gehört schon gar nicht mehr zum Nutzungsbereich. Das bestätigt auch Daniel Horn, der als City Manager bei Tier Mobility unter anderem für Mainz zuständig ist. Doch warum ist das so?
Unfälle oder Behinderungen auf dem Campus habe es zwar bisher nicht gegeben, jedoch sei die Versicherungsfrage in einem solchen Fall noch nicht geklärt. Bisher habe der E-Scooter-Anbieter lediglich einen Vertrag mit der Landeshauptstadt Mainz geschlossen. Allerdings liege die Verkehrssicherungspflicht für den Campus nicht bei der Stadt, sondern bei der Universität und somit dem Land Rheinland-Pfalz, erklärt auch Petra Giegerich, Pressesprecherin der JGU. Es sei weder ein Park- noch Fahrverbot für die E-Scooter ausgesprochen worden.
Wie Daniel Horn weiter erklärt, sei der Betrieb der E-Scooter auf dem Campus nach dem Hinweis des Immobilienmanagements der JGU vorerst eingestellt worden, um die Versicherungspflicht zu klären. "Entsprechend sind wir in Gespräche mit der Universität eingetreten, um unseren Service künftig auch weiter auf dem JGU-Gelände anbieten zu können", kündigt er an. Das Gelände der Hochschule Mainz sei aktuell nicht im Geschäftsgebiet inbegriffen, eine Erweiterung würde allerdings ebenfalls geprüft.
Die elektrisch betriebenen Tretroller sollen den städtischen Nahverkehr revolutionieren. Zeitlich flexibel, ohne Stau und ohne Lärm könne damit die sogenannte "letzte Meile" als Ergänzung des ÖPNV, zum Beispiel vom Bahnhof bis zum Vorlesungsgebäude, bewältigt werden. Auch die durch das Sharing-Konzept effiziente Nutzung, die laut Hersteller langen Lebenszyklen und der geringe Wartungsaufwand sprechen für die E-Scooter. Die verwendeten Materialien können in den meisten Fällen wiederverwendet oder recycelt werden. Mit Ökostrom betrieben transportieren sie ihre Fahrer emissionsfrei und bequemer als mit dem Rad. All das lobt auch die Stadt Mainz und sieht in den Elektro-Tretrollern "das Potenzial, zum Erreichen der umwelt- und klimapolitischen Ziele der Stadt Mainz beizutragen."
Doch häufig stehen die E-Scooter auch in der Kritik, gar nicht so nachhaltig zu sein, wie sie beworben werden. Eines der Hauptargumente der Kritiker ist dabei, dass die Roller über Nacht eingesammelt werden müssen, damit sie aufgeladen und eventuelle Schäden repariert werden können. Dafür werden meist Transporter eingesetzt, die mit Benzin oder Diesel angetrieben werden. Das in Mainz aktive Verleihunternehmen Tier Mobility kündigte nun auf Nachfrage der Zeit hin an, in Zukunft mehr E-Sprinter einsetzen zu wollen, was auch die Stadt Mainz in einer freiwilligen Vereinbarung mit Tier Mobility befürwortet.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Elektromotor selbst zwar keine Emissionen ausstößt, der dafür genutzte Strom jedoch alles andere als CO2-neutral ist. Denn dieser wird überwiegend in Kohlekraftwerken produziert. Auch dabei zeigt sich Tier Mobility in der Zeit bemüht und erklärt, man verhandele zurzeit "mit verschiedenen Anbietern, um zu einem möglichst hohen Anteil an Ökostrom zu kommen, und im Idealfall ausschließlich Ökostrom zu benutzen." Laut Alexander Jung, Mobilitätsexperte des Beratungsgremiums Agora Verkehrswende, ist dieses Argument allerdings zu vernachlässigen, weil der E-Scooter 15 Mal effizienter sei als ein E-Auto: "So ein Roller verbraucht relativ wenig Energie, weil er klein und leicht ist", sagt er gegenüber der Zeit.
Kritisch zu betrachten ist außerdem die umweltunfreundliche Batterieherstellung: Bei der Produktion der für die E-Scooter verwendeten Lithium-Ionen-Akkus wird ebenfalls CO2 ausgestoßen, außerdem verbraucht sie knappe Ressourcen. Wie auch die Stadt Mainz bemerkt, gibt es Möglichkeiten, die ausrangierten Akkus zu recyceln. Der Zeit zufolge ist Tier Mobility derzeit auf der Suche nach Kooperationspartnern, um gebrauchte Batterien sinnvoll weiter zu verwerten. Konkrete Informationen gebe es dazu allerdings noch nicht.
Außerdem heißt es weiter: „Mobilitätsexperte Jung schätzt, dass die Emissionen aus der Batterieproduktion für einen E-Scooter ausgeglichen sind, sobald man etwa 200 bis 273 Kilometer Strecke mit dem Roller statt mit einem kompakten Mittelklassewagen fährt." Ob der Roller dieses Streckenziel tatsächlich erreicht, ist abhängig von seiner Lebensdauer. Tier Mobility rechnet laut der Zeit mit "einer Lebenserwartung von deutlich mehr als zwölf Monaten." Wichtig ist dabei natürlich, dass die Nutzer auch pfleglich mit den E-Scootern umgehen, diese nicht wie in anderen Städten im Fluss versenkt und auch nicht mitten auf der Straße abgestellt werden.
Schon bevor die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung am 15. Juni die Gesetzesgrundlage schuf, wurde die Sicherheit der elektrischen Tretroller heftig diskutiert. Sie seien fast lautlos und schmal, kaum beleuchtet und würden im Stadtverkehr schnell übersehen, schrieb das ZDF in einer Pro-Contra-Aufstellung. Für den Straßenverkehr zu langsam und für Gehwege zu schnell, könnten die E-Scooter in beiden Fällen für Chaos sorgen, war die Befürchtung. Gesetzlich festgelegt ist nun, dass die E-Roller auf gekennzeichneten Radwegen und, wenn diese nicht vorhanden sind, in verkehrsberuhigten Bereichen und auf Fahrbahnen fahren dürfen. Auf Gehwegen, in Fußgängerzonen, auf Busspuren und gegen die Fahrtrichtung in Einbahnstraßen dürfen die E-Tretroller im Gegensatz zu Fahrrädern nicht benutzt werden.
Eine ziemlich undurchsichtige Regelung, an die viele sich nicht halten. Auch der Mainzer Polizei ist aufgefallen, dass die Regelung vielen nicht bekannt ist. Vor allem, dass man nicht zu zweit auf einem Roller fahren darf und die gleiche Promillegrenze (maximal 0,5 Promille ab 21 Jahren und nach der Probezeit) wie für Autofahrer gilt, wussten viele nicht. Sie reagiert daher mit vermehrten Polizeikontrollen im Mainzer Stadtgebiet und Aufklärungen der Fahrer.
Der Anbieter selbst gibt zu Beginn der Fahrt nur ein paar wenige Sicherheitshinweise. Obwohl in Deutschland weder für Rad- noch Rollerfahrer eine Helmpflicht gilt, empfiehlt Tier Mobility seinen Nutzern, einen Helm zu tragen. Weiterhin wird auf die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h hingewiesen, die auch beim Bergabfahren, wo sie sich technisch überwinden lässt, einzuhalten ist. Auch die Parkvorschrift wird thematisiert: "Parke verantwortungsbewusst. Bitte blockiere keine öffentlichen Wege und stelle einen Abstand (mindestens 2,5 Meter) für Fußgänger sicher."
Doch wer aufmerksam durch die Innenstadt läuft, merkt schnell: Gerade beim Parken wird sich zu sehr auf das Verantwortungsbewusstsein der Nutzer verlassen. Die Roller stehen manchmal mitten auf dem Gehweg, blockieren Ein- und Ausfahrten oder Parkplätze oder werden sogar mitten auf der Straße abgestellt.
Zwar machen die Fahrzeuge mit Reflektoren auf sich aufmerksam und sind in der Dunkelheit zwischen 22 Uhr abends und 7 Uhr morgens außer Betrieb, dennoch sollten sich die Fahrer bewusst sein, dass sie im Straßenverkehr schnell übersehen werden können. Weiterhin gibt es keine Blinker oder eine andere Möglichkeit, Richtungswechsel anzuzeigen. Um, wie auf dem Fahrrad, den linken oder rechten Arm auszustrecken, fehlt die nötige Stabilität auf den E-Scootern. Wichtig ist außerdem, dass die Nutzer gut über die Vorschriften informiert sind.
Jedoch hat die E-Scooter-Ära in Mainz gerade erst begonnen, und es wird noch genug Gelegenheiten geben, die Fahrzeuge und das Verleihsystem weiter zu optimieren. Praktisch und schnell kommt man mit den Elektro-Tretrollern von A nach B und das Fahren macht einfach Spaß. Wenn die Verhandlungen zwischen Tier Mobility und der Universität und Hochschule fortschreiten, können die neuen Roller auch auf dem Campus wieder getestet werden.
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