Doppelbelastung: Studium und Pflege

19.12.2022
Campus-News, Studium
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Die Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger kann auch für junge Menschen mitten im Studium zur Realität werden. Welche Angebote die JGU Betroffenen bietet erfahrt ihr hier.

Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt seit Jahren an und somit auch die Pflege durch deren Angehörige. Auch vor Studierenden macht dieser Trend nicht Halt. Um auf die Situation der Studierenden sowie auf mögliche Unterstützungsangebote aufmerksam zu machen, veröffentlichte das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zusammen mit dem Verein Familie in der Hochschule e.V. passend am 06. Oktober 2022 zum Europäischen Tag der pflegenden Angehörigen einen Ratgeber zum Thema. Die Info-Broschüre, welche in der Reihe „CHE kurz + kompakt“ erschienen ist, geht auf die wichtigsten Fragen zu Unterstützungsangeboten für pflegende Studierende ein.

Zahlen und Fakten

Im Jahr 2019 lag der Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland bei mehr als vier Millionen. Davon wird der überwiegende Teil – meist von Angehörigen – Zuhause versorgt. Durch die weiterhin steigenden Zahlen von Betroffenen steigt ebenfalls der Anteil von Studierenden mit Pflegeverantwortung. Die Pflege, beispielsweise von Eltern oder Großeltern, durch Studierende schätzen Expert:innen, u.a. des bundesweiten Vereins Familie in der Hochschule e. V., durchschnittlich auf fünf bis zehn Prozent.
Das bedeutet, dass davon ausgegangen werden kann, dass an jedem Seminar in einer Hochschule durchschnittlich ein bis zwei Studierende an der Pflege eines Angehörigen beteiligt sind. Genaue Prozentzahlen sind allerdings nicht zu benennen, weil unter anderem der Begriff „Pflegetätigkeit“ nicht allgemein definiert ist.
Die psychische und zeitintensive Belastung der Pflegetätigkeit hat oft zur Folge, dass beispielsweise Fristen verpasst werden. Ca. fünf Prozent aller Abbrechenden haben ihr Studium aufgrund von Angehörigenpflege abgebrochen (Stand 2016).
Allgemein herrscht bei der Chancengleichheit für Studierende mit Pflegeaufgaben ein Mangel. Dies wurde jedoch bisher kaum in den Datenerfassungen berücksichtigt: Bis zur 21. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerkes wurden diese nicht einmal in ihrer Abfrage inkludiert.

Konkrete Entlastungshilfen der Universität

Für Hilfsangebote können sich pflegende Angehörige an das Familien-Servicebüro der Johannes Gutenberg-Universität wenden. Auf deren Website informiert das Büro über staatliche finanzielle Leistungen, Pflegeeinrichtungen und mehr. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, sich bis zu sechs Semester beurlauben zu lassen. Dies entspricht der Mutterschafts- und Erziehungszeit bei Eltern. Bafög kann in dieser Zeit zwar nicht beansprucht werden, die Beantragung von Arbeitslosengeld II und weitere Sozialleistungen sind aber möglich.
Stattdessen kann auch in ein Teilzeitstudium gewechselt werden – an staatlichen Hochschulen muss dafür allerdings in jedem Semester ein neuer Antrag gestellt werden. Außerdem entfällt in einem Teilzeitstudium der Anspruch auf Bafög.

Thematisierung des Problems an der Universität

Darüber hinaus startete im November 2022 die Veranstaltungsreihe: „Keine Sorge(n)?! Eine Informations- und Austauschreihe zu Carearbeit und Universität“.
Es richtet sich mit verschiedenen Vorträgen und Workshops an pflegende Angehörige und Eltern. Außerdem soll damit eine Möglichkeit zur Vernetzung untereinander geboten werden. Organisiert wird die Reihe durch die Stabstelle Gleichstellung und Diversität in Kooperation mit dem Familien-Servicebüro der JGU.

Unterschiedliche Handhabungen der Institute

Sich über die Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren ist ein erster und wichtiger Schritt. Dadurch kann man sich in Einzelfällen bevorzugt für Vorlesungen oder Seminare anmelden, nach einem individuell geplanten und abgeklärten Stundenplan studieren und sich von Anwesenheitspflichten befreien lassen. Auch bei Prüfungen und Abgaben gibt es Möglichkeiten der Unterstützung für betroffene Studierende: Es gibt Härtefallregelungen und Nachteilsausgleiche, welche in den einzelnen Instituten unterschiedlich gehandhabt werden.
Um genauere Informationen diesbezüglich zu erhalten, ist das Gespräch mit dem Studienbüro des eigenen Instituts zu empfehlen. Auch Studierende, die für die Pflege eines Angehörigen nicht die hauptverantwortliche Person sind, können sich um diese Entlastungshilfen bemühen.

Finanzielle Unterstützungsangebote

Allgemein gesehen bringt jeder Pflegefall andere Herausforderungen mit sich. Die Frage der Finanzierung beschäftigt jedoch die meisten Betroffenen. Wichtig zu wissen ist, dass vor der Inanspruchnahme von Leistungen der Pflegeversicherung die Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) benötigt wird. Die dabei festgestellten Pflegegrade bestimmen den Pflegebedarf, woraus dann die Höhe der bewilligten Leistungen resultiert.
An der JGU gibt es beim AStA einen Hilfefond, welcher bei unverschuldeten finanziellen Notlagen mit zinslosen Darlehen und Zuschüssen, z.B. für den Semesterbeitrag, beantragt werden kann.
Außerdem können sich Studierende bei finanziellen Problemen an das Studierendenwerk Mainz wenden. Hier gibt es verschiedene Hilfsangebote, welche von Betroffenen in Anspruch genommen werden können. Das Studierendenwerk bietet Beratungen an und kann unter Umständen mit Zuschüssen und Darlehen aus Notsituationen helfen.

Hilfe bei psychischer Belastung

Sollten Betroffene eine steigende psychische Belastung bemerken, gibt es verschiedene Angebote an der JGU. Die beste Anlaufstelle ist die Psychotherapeutische Beratungsstelle (PBS) im Münchfeld. Die PBS informiert über Themen rund um die mentale Gesundheit und bietet unterschiedliche (Online-)Kurse und Beratungen für Studierende an. Helfen kann auch das Familien-Servicebüro.
Bei anhaltender Belastung kann die Suche nach einer Psychotherapeut:in sinnvoll sein. Bei einer akuten Überlastung ist darüber nachzudenken, in Absprache mit der Hochschule das Studienpensum herunterzufahren oder ein Urlaubssemester zu beantragen.

An dieser Stelle sei erneut auf die Broschüre des CHE hingewiesen: Sie klärt über weitere hilfreiche Unterstützungsangebote auf und beantwortet weiterführende Fragen. Außerdem lässt sich eine Checkliste finden, um die eigene Belastung einzuschätzen.

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