Die Wunderraupe, die keine ist

20.09.2017
Campus-News, Studium
fsc

Im April dieses Jahres entdeckten Forscher an der Universität in Santander eine Raupenart, die angeblich Plastik verdaue. Mainzer Wissenschaftler äußerten in einer Gegendarstellung nun allerdings erhebliche Zweifel.

Es war eine dieser viel zu seltenen guten Nachrichten: Zufällig entdeckte die Biologin Federica Bertocchini von der Universität Santander in Spanien, dass die Larven der Großen Wachsmotte Galleria mellonella Plastik, genauer Polyethylen, fressen. Und noch besser: In spektroskopischen und mikroskopischen Untersuchungen wollen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen herausgefunden haben, dass die Raupen das Plastik nicht nur zerkleinern, sondern auch verdauen.

Dafür hatte die spanische Autorengruppe Plastiktüten mit Raupenhomogenisat – das sind in gefrorenem Zustand zerstoßene Raupen mit intakten Verdauungsenzymen – behandelt und dessen Einfluss untersucht. Dabei soll der Abbau des Polyethylens zum Spaltprodukt Ethylenglycol erfolgt sein.

Mainzer Wissenschaftler stellen Entdeckung infrage

Zu anderen Ergebnissen kam nun eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Till Opatz vom Institut für Organische Chemie von der Uni Mainz. Zusätzliche Experimente der Forscher deuteten darauf hin, dass weitere Signale, die für den Nachweis von Ethylenglycol wichtig sind, fehlen.

Gleichzeitig macht die Mainzer Arbeitsgruppe darauf aufmerksam, dass die Signale angeblicher biochemischer Abbauprodukte fast identisch zu Signalmustern von tierischen Protein-Fett-Mischungen wie die des Raupenhomogenisats seien. Für solche Kontrollexperimente, die in den ursprünglichen Untersuchungen von Bertocchini nicht stattfanden, vermaßen die Mainzer Mitglieder der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Opatz Hackfleisch und Eigelb.

Bertocchini und ihre Kollegen hätten also letztendlich nichts anderes als Raupenüberreste gefunden, so das Fazit der Mainzer Wissenschaftler.

Ein zweifelhafter Hoffnungsschimmer im globalen Ökodesaster

Die Entdeckung der spanischen Forschergruppe war im April als Sensationsmeldung durch die Medien gegangen. Kein Wunder, schließlich hat die Menschheit laut einer US-Studie inzwischen 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert. Das entspricht laut der US-Forscher in etwa 822.000 Eiffeltürmen oder 1 Milliarde Elefanten. Der größte Teil davon befindet sich als Müll in der Umwelt – vor allem in den Weltmeeren. Nur ein kleiner Teil wird recycelt, obwohl wir immer mehr Plastik produzieren.

Angesichts dieser Plastikmassen erscheint es nicht wirklich realistisch, dass die Raupen das Plastik einfach komplett hätten auffressen und verdauen können. Allerdings wäre es eine Hoffnung in einer weltweiten Umweltkatastrophe gewesen.

Ein ganz kleiner Hoffnungsschimmer bleibt jedoch: Endgültig widerlegt sei der biochemische Abbau von Plastik bei den kleinen Tierchen nämlich noch nicht.

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