Wer noch ein Buch für die Semesterferien sucht, hat jetzt eines gefunden – „Pi mal Daumen“ ist unterhaltsam, klug und genau das Richtige für Studierende.
Oscar ist 16, hochbegabt und gerade nach Berlin gezogen. Sein Ziel: Das Mathestudium in fünf Semestern abschließen – am besten ohne Ablenkung. Moni hingegen ist 53, jongliert mehrere Nebenjobs und kümmert sich um ihre drei Enkel. Trotz ihres vollen Alltags hat sie sich ebenfalls für das Mathestudium eingeschrieben. Die beiden treffen in der ersten Vorlesung aufeinander – und könnten unterschiedlicher nicht sein. Oscar ist sicher: Moni wird nicht mal das erste Semester überstehen. Doch sie überrascht ihn immer wieder mit cleveren Einfällen. Nach und nach entsteht eine Verbindung zwischen den beiden und sie helfen sich gegenseitig durch das Studium. Oscar beginnt, Nachforschungen über Monis Vergangenheit anzustellen und er muss feststellen: Hinter ihrer Entscheidung für das Mathestudium steckt mehr, als sie zugeben will.
"Das Studium darf nicht einfacher werden. Sonst würden ja alle bestehen. Wir sind doch keine Geisteswissenschaftler.“
Solche spitzen Kommentare gehören zu Oscars Standardrepertoire. Das Buch ist aus seiner Perspektive geschrieben und zugegebenermaßen muss man sich zunächst an seinen Blickwinkel gewöhnen. Er ist analytisch, gnadenlos direkt und empathielos. Sein trockener, bisweilen zynischer Humor erinnert an Sheldon Cooper aus der Serie "The Big Bang Theory". Moni hingegen ist das genaue Gegenteil: warmherzig, pragmatisch und emotional. Während Oscar sich über Menschen aufregt, die nicht jede Minute ihrem Studium widmen, kämpft Moni mit dem Balanceakt zwischen Hörsaal und Familie. Ihre Gespräche sind oft hitzig. Oscar sagt ihr unverblümt, dass Monis Familie sie an ihrem Studium hindert. Aber gerade dadurch nähern sie sich einander. Moni beginnt, sich um Oscar zu kümmern – sei es, wenn er vergisst zu essen oder von seiner sozialen Angst überwältigt wird.
Cover und Klappentext lassen tatsächlich eine leichtere Geschichte vermuten. Wer eine charmante Feel-Good-Story erwartet, wird zunächst überrascht sein. Denn Moni muss nicht nur Oscars Kommentare ertragen, sondern hat im Leben schon oft zurückstecken müssen. Mit jeder neuen Enthüllung über sie wird deutlich, wie viele Ungerechtigkeiten sie bereits in ihrer Jugend erlebt hat.
Ja, es gibt humorvolle und schöne Momente – aber die Erzählweise bleibt nüchtern und ungeschönt. Es lohnt sich dennoch, sich auf die Geschichte einzulassen. Die Charaktere sind nicht makellos und gerade das macht sie greifbar. Es geht um komplexere Beziehungen und darum, sich auf neue Dinge einzulassen.
"Moni stellte Fragen, bei denen die Dozenten innehielten und eine Weile aus dem Fenster schauten, bevor sie antworteten. Professor Herbst bat sie schließlich, seine Vorlesung nicht zu sprengen, die Lehrämtler würden sonst endgültig depressiv."
Studis werden sich in diesem Buch wiederfinden. Es gibt die typischen Sticheleien zwischen Fachbereichen, Mensa-Gejammer und Chaos mit dem öffentlichen Nahverkehr. Mathe spielt natürlich eine Rolle – aber keine Sorge: Man muss kein Wunderkind sein, um der Handlung folgen zu können. Tatsächlich könnte das Buch sogar Lust machen, sich dem eigenen Studium etwas ernster zu widmen. Und gleichzeitig geht es auch um Themen wie Selbstfindung, große Lebensentscheidungen und die Kunst des Scheiterns – relatable.
"Pi mal Daumen" von Alina Bronsky ist eine kluge, witzige und authentische Geschichte über Freundschaft und das Studium. Kann man auch zwischendurch in der Bib-Pause (oder zur Prokrastination) lesen.
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