Kennt man Tim Burtons Verfilmung des Romans Big Fish von Daniel Wallace so lässt sich das Potential des neuen Projekts der Musical Inc. erahnen. In dem Roman versucht der Protagonist William Bloom den Wahrheitsgehalt der bisweilen sehr unwahrscheinlichen und unglaublichen Geschichten seines Vaters, dem Geschichtenerzähler und eigentlich einfachen Handelsvertreter Edward Bloom, zu ergründen. Doch dieser hält selbst im Sterbebett an der fantasievollen Version seines Lebens fest und bittet William ihm das Ende zu erzählen.
Die vielen Abschnitte aus Edwards Leben bieten allerlei Musical-Potential. Dies dachten sich vermutlich auch Andrew Lippa und John August, die aus Buch und Film das Musical machten. Dabei war Lippa für Musik und Songtexte verantwortlich, während August sein Drehbuch der Tim Burton-Verfilmung musicaltauglich umgeschrieben hat.
Die Musical Inc. ist sowohl Verein als auch eine Hochschulgruppe der JGU. Gegründet wurde die Gruppe von ehemaligen Studierenden bereits 1993. Einige von Ihnen sind noch heute Mitglieder. Jedes Jahr wird ein Musical produziert und auf dem Campus aufgeführt. Hierfür gibt es traditionsgemäß Castings, bei denen jeder Interessierte eingeladen ist mitzumachen. Insgesamt wirken bei den Produktionen über 60 Menschen mit, was die Musical Inc. jedes Jahr aufs neue vor eine Herausforderung stellt.
Der Verein wählt jedes Jahr im August oder September ein neues Stück. Auswahlkriterien bilden vor allem eine ausgewogene Hauptrollenverteilung von Männern und Frauen, sowie eine möglichst große Ensembleanzahl. Die genaue Auswahl nimmt ein vorher gebildetes Team vor. Oft wird eine wilde Mischung aus Stücken zur Auswahl gestellt, über die der Verein dann abstimmt. Hierbei soll thematisch alles abgedeckt werden. Ob lustige oder klamaukige Stücke oder auch mal etwas ernsthaftere Thematiken wie die Vorjahresproduktion “In The Heights“.
Nach Festlegung des neuen Projektes können sich die Mitglieder freiwillig für kreative Aufgaben zur Verfügung stellen, sei es in der Produktion, der Ausstattung, der Tanzchoreographie oder auch der musikalischen Leitung. Auch für die Regie kann man sich melden und praktische Erfahrungen sammeln.
Die diesjährigen Regisseure Marie Friedl und Florian Mahlberg zeichnet nach eigener Aussage vor allem ihre "Treue zur Musical Inc. im Vorfeld" aus. Ihr abgeschlossenes Studium der Theaterwissenschaft wird den beiden allerdings sicher auch von Nutzen sein. Auch die anderen Ressorts seien mit motivierten Mitgliedern besetzt, die meist schon Vorerfahrungen in den jeweiligen Bereichen vorzuweisen haben.
Zusätzlich zu den Proben, die zweimal die Woche stattfinden, und einem Probenwochenende pro Monat wird einmal die Woche ein Vocalcoaching, bei dem zum Beispiel Solisten an ihren Songs arbeiten können, angeboten. In diesem Jahr gebe es auch zum ersten Mal Schauspiel-Coaching, generell sollten also alle Bereiche grundlegend gefördert werden, sagt Marie Friedl.
Trotzdem sei die Musical Inc. nach wie vor ein nichtkommerzieller Verein und offen für Studierende aus allen Fachbereichen. Dass die Musical Inc. eine studentische Hochschulgruppe ist, lässt sich auch in der neunmonatigen Probephase finden. Je nach Zeitpunkt im Semester gehe es auch mal etwas weniger gut voran. So hätte sich in den Letzten Jahren ein "kleines Tief im Januar und Februar abgezeichnet in dem die Studenten vor allem ihre Hausarbeiten und Prüfungen im Kopf haben", wie Florian Mahlberg mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen zugibt.
Doch seien der Spaß und die Disziplin in der restlichen Zeit regelrecht zu spüren. Das bestätigt auch Martin Brehmen, der mit seinen Rollen als Bürgermeister, Pfadfinderjunge, Gemischtwarenhändler und Jongleur gleich in der ersten Produktion, an der er sich beteiligt, voll mit eingebunden ist. Im Gespräch beschreibt er: "Viel von der Energie in der Probe nimmt man mit nach Hause und profitiert auch davon. Sogar Stress, den man gelegentlich hat, baut man durch die eingeprobten Tänze ab."
Jessica Jopp, die die Sandra Bloom der Gegenwart spielt, ist bereits seit 2011 dabei. Sie beschreibt die Endprobenphase als "durchaus sehr anstrengend, wenngleich auch der Spaß überwiegt." Eine solche Herzlichkeit der Menschen habe sie bisher noch nie erlebt. Auch in der Freizeit unternehme man viel zusammen. So verbringe man zum Beispiel auch einige Stunden gemeinsam in der Musical Inc.-Stammkneipe, dem Baron.
Das Team hat sich im Vorfeld die Verfilmung von Tim Burton zusammen angesehen. Allerdings "setzt das Musical andere Schwerpunkte als der Film, so waren die Möglichkeiten, Dinge aus der Verfilmung zu übernehmen, begrenzt." Jedoch "ist die Verfilmung als Inspirationsgrundlage vor allem für angestrebte Stimmungen eine Hilfe gewesen" sagt Marie Friedl.
Auch die Fabelwesen aus der Romanvorlage sollen nicht zu kurz kommen. Daher haben sich Şafak Sengül, die für die Ausstattung verantwortlich ist und Cast-Mitglied und Make-up Artist Ram Paramanathan bereits Wege überlegt, Riesen und Werwölfe durch den Vorlesungssaal P1 wandern zu lassen.
Die Energie und das engagement der Beteiligten, waren bei der offenen Probe am 01. Mai deutlich zu spüren. Die Faszination Musical hat sich den Zuschauern wohl spätestens in dem Moment erschlossen, als die ersten Töne im Chor geprobt wurden. "Der Zauber des Musicals verdrängt die Ernsthaftigkeit des Alltags" wie es Martin Brehmen treffend formulierte. Und ich denke ich war nicht der Einzige, der die Probe mit freudiger Erwartung und einem Lied im Ohr verlassen hat.
Das Stück feiert mit zwei verschiedenen Besetzungen am 02. und 03. Juni 2017 Premiere. Aufgeführt wird bis zum 17. Juni.
Tickets können zu Preisen von 18 bzw. 20 Euro (je nach Termin) und 10 bzw. 12 Euro (ermäßigt) online unter www.musicalinc.de, in der Ticketbox Mainz e. Kfr. (Kleine Langgasse 4, Mainz) oder täglich am Vorverkaufsstand im Philosophicum erworben werden.
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