Bericht aus Berlin

28.06.2015
Über uns
db

Zwei Vertreter von Campus Mainz e.V. und der Redaktion waren zwischen dem 11. und 13. Juni auf dem Seminar "Hyperlokaler Journalismus" der Bundeszentrale für Politischen Bildung (bpb) in Berlin.

Unter der Leitung von erfahrenen Lokaljournalisten und Mitarbeitern des bpb-Zentrums aus Bonn und Berlin gab es Leit- und Impulsvorträge, Workshops und viele warme Mahlzeiten unter dem Motto "Challenge accepted - Zukunftsstrategie für hyperlokale Onlinemedien".

Hyperlokale Blogs aus ganz Deutschland

Da wir das Portal campus-mainz.net als Hyperlokalen-Journalimus verstehen, haben wir uns bei der bpb beworben und wurden ausgewählt. 22 Hyperlokale-Onlinezeitungen und Blogs kamen aus ganz Deutschland zusammen. Mit den Gründern, Machern und Redakteuren der Portale konnten wir uns an drei Tagen austauschen und beraten. Dank der vielen Gelegenheiten zum Austausch und Vorträgen von ausgewiesenen Experten konnte die Diskussionen unter den Teilnehmern über die Zukunft der eigenen Lokalredaktionen immer wieder angefacht werden.

Keynote von der Uni Hamburg

Die Keynote der Veranstaltung hielt der renommierte Prof. Dr. Lilienthal von der Uni Hamburg. Er ist der Meinung, dass Lokalblogs Lücken schließen sollen, die Tageszeitungen heutzutage hinterlassen. "Lokalblogger könnten die Stimmung des Viertels besser einfangen und wirken dadurch authentischer", referiert Lilienthal und führt weiter aus, "Ihre Aufgabe und Chance ist es deshalb das Stadtgespräch zu moderieren, die Meinungsbildung ihrer Leser zu fördern und aktuelle Prozesse vor Ort transparent zu machen."

Experten vom Bürgerblick und den Crowdspondents

Weitere Vortragende waren Hubert Denk, Gründer des "Bürgerblicks" aus Passau, der uns über die Gründungszeit seines Blogs aufklärte und Lisa Altmaier, eine Hälfte der Crowdspondents, die sich per Crowdfunding auf Recherchereise begab und uns von ihren Erfahrungen erzählte. Crowdspondent bedeutet: "Die Crowd sagt uns, was wir recherchieren sollen. Das Motto ist: Schickt uns weg".

Technologien im Hyperlokalen

Am Tag zwei folgten kleinere Impulsvorträge zu den Themen Monetarisierung, Sublokale-Vorteile und Datenvisualisierung im Lokalen. Strategien zur Leserfinanzierung unserer redaktionellen Inhalte sind durch die gesicherte Finanzierung des Vereins und dem Kerngedanken der Redaktion "von Studis für Studis" für uns uninteressant. Trotz allem waren die Ausführungen von Christian Hasselbring von Laterpay interessant, denn er versuchte mit dem Mythos aufzuräumen "User seien nicht bereit, für gute Inhalten im Internet zu bezahlen." Außerdem bereitet er uns auf einen "Digitalen Tsunami" vor, aber davon nicht genug: "Nein! Wir erleben stattdessen eine digitale Sintflut: Das Digitale wird in jeden Winkel des Lebens vordringen”. Das "Internet der Dinge" ist Technologie die direkt in die Hyperlokalität hineinreicht - Running Apps die unsere Alltag kontrollieren oder die Apple Watch die alle Informationen auf einer Uhr sammelt. Wenn man sich nicht vor der Flut retten kann, sollte man mitschwimmen. Eine Strategie liegt Hasselbring zufolge in der “Hyperlokalität des Sozialen, des Wissens, der Informationen – also des Journalismus”. Während das Überregionale von den Big-Playern vereinnahmt wird, liegt gerade in diesen neuen hyperlokalen Technologien der Vorteil für Journalismus vor Ort.

Daten und Visualisierungen als Chance

Datenjournalismus und Visualisierungen sind ein allgemeiner Trend im Journalismus der neue Zielgruppen aufspüren muss. Da diese Techniken deutlich leichter umzusetzen sind, als man sich es allgemein vorstellt, sind solche Datenanalysen auch für den Hyperlokalen-Journalismus einfach einsetzbar. Datenjournalistin Christina Elmer von Spiegel Online stellt jedoch gleich zum Beginn ihre Vortrages mit einem Zitat von Elliot Jaspin klar: "Computers don’t make a bad reporter a good reporter. What they do is make a good reporter a better one." Visualisierung, Interaktivität und Transparenz gehören laut Elmer aber nicht zum Kern des Datenjournalismus. Es bedeute vielmehr mittels Datenanalyse erst auf Geschichten zu stoßen. Auch für die Campus Mainz Redaktion sind solche neuen Spielformen des Journalismus äußerst interessant.

Workshops zum Profil, Anspruch und Monetarisierung

Die weitere Zeit verbrachten die Teilnehmer der Konferenz in drei verschiedenen Arbeitsgruppen. Wir teilten uns auf die zwei Workshops "Der Anspruch: Hoch (Hyperlokaler Journalismus in der Komunalpolitik)" und "Das Profil: scharf (Hyperlokales Profil in der eigene Berichterstattung und Redaktionelle Leitlinien)". Zusätzlich dazu gab es noch einen Workshop zum Thema "Die Leser: überzeugt (Monetarisierungsstrategien und Bezahlsysteme für Hyperlokale Medien)", der uns aber weniger im Interesse des Vereins und der Redaktion angelockt hat, als vielmehr für den möglicherweise nächsten privaten Karriereschritt. Annabel Trautwein vom hyperlokalen Onlineblog "Wilhelmsburg Online" (Hamburger Stadtteil) leitete den Workshop zum Thema Kommunalpolitik. Die Teilnehmer erarbeiteten anhand von konkreten Beispielen Möglichkeiten, um Leser von Lokalblogs durch bestimmte Darstellungsformen, mit unkonventionellen Artikeln und mit Hilfe neuer Tools wieder mehr für Lokalpolitik zu begeistern. Datenjournalismus und Visualisierungen wurden dabei als große Chance herausgearbeitet. Auch die Campus Mainz Redaktion sieht auf diesem Gebiet noch Ausbaubedarf. Stefan Aigner von "regensburg-digital" leitete den Workshop zur Profilbildung. Die Teilnehmer erarbeiteten einen 10-Punkte-Plan für ein scharfes hyperlokales Profil. Ein Teilnehmer des Workshops, Andreas Grieß von Elbmelancholie.de, bringt es auf den Punkt: "Relevanz statt Firlefanz".

Ein scharfes hyperlokales Profil

Die Ergebnisse der Profil-Arbeitsgruppe in 10 Geboten für einen guten hyperlokalen Journalismus:

  1. Betrachte die Medienlandschaft vor Ort. Analysiere sie, erkenne die Zielgruppe, erkenne die Lücken, besetze sie.
  2. Reflektiere Deine Ressourcen. Du betreibst ein langfristiges Projekt. Welche Kompetenzen hast du, Interessen, Manpower, Budget etc.? Habe auch Mut zur Lücke. Stelle fest, wo Du ergänzen musst.
  3. Qualität geht vor Quantität. Und weniger ist oft mehr. Das gilt für Deine Artikel, und auch für die Auswahl von und das Bespielen der Social Media Kanäle. Begründe Deine Relevanz nicht mit Klickzahlen.
  4. Trage zur politischen Meinungsbildung bei. Lokalpolitik sollte ein wesentlicher Bestandteil Deines Blogs sein.
  5. Erkenne deinen gesellschaftlichen Auftrag. Sei transparent und offen. Denn wie sagte der große Philosoph und Onkel von Spiderman: „Mit großer Macht kommt große Verantwortung.“
  6. Formuliere Deinen Anspruch, dein Selbstverständnis. Bist du eine One-Man-Show oder suchst du eine Redaktion? Bist Du tagesaktuell oder verstehst Du Dich als Magazin?
  7. Leser sollen dich für Deine Inhalte hassen, und nicht für in deinen Blog kopierte Pressemitteilungen.
  8. Scheue keine Auseinandersetzungen. Wenn du gut arbeitest, ergeben sie sich zwangsläufig.
  9. Die Ergebnisse Deiner Recherche sind online, aber du bist vor Ort.
  10. Sei nicht beliebig. Hab Mut zur Haltung.

Fazit des Seminars und für Campus Mainz

Am Ende hatten sich knapp 30 Journalisten und Medienmacher den Herausforderungen des Workshop-Seminars zum Thema "Hyperlokaler Journalismus" gestellt. Die expliziten Ergebnisse unserer Arbeit könnt ihr im Reader des Seminars nachlesen. Für das Portal Campus Mainz und unsere hyperlokale Redaktion haben wir viel mitnehmen können aus den Vorträgen und Workshops. Besonders aber die angeregten Diskussionen und der Austausch während der Pausen waren sehr ergiebig. Wir denken, dass wir mit unserem Portal schon vieles richtig machen und zwei grandiose Vorteile gegenüber den vielen anderen hyperlokalen Onlinemedien haben. Zum einen ist unser Finanzierungsmodell relativ sicher und unabhängig, zum anderen ist unsere Arbeit zum Großteil ehrenamtlich. Mit diesem Hintergrund können wir ruhig auch mal Experimente wagen und nicht gleich fürchten, dass unsere Existenz bedroht ist. Wir können die Aufgabe akzeptieren, mit der Campus Mainz-Redaktion und ihrer hyperlokalen Berichterstattung einen Lücke zu schließen, die die etablierten Medien hinterlassen haben. 

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