Befähigt ein Abitur automatisch zum Studium?

06.05.2021
Studium
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Universitäten beklagen, dass die Studierfähigkeit von Abiturient:innen abnehme. Studierende hingegen wünschen sich mehr Vorbereitung auf ein Studium. Braucht es also eine Revolution des Schulsystems?

Denkt man an ein Studium, so denkt man neben den zahlreichen Studierendenpartys und WG-Abenden auch daran, endlich das zu lernen, was einen wirklich interessiert. Wo man in der Schule noch einen bunten Mix aus verschiedenen Fachbereichen kennenlernen sollte, wird im Studium viel spezifischer auf die eigenen Interessen eingegangen.

Um ein Studium zu beginnen, gibt es diverse Möglichkeiten, und es ist auch nicht zwingend ein Abitur als Grundvoraussetzung nötig – auch an der Uni Mainz gibt es zahlreiche Angebote für Studieninteressierte, die kein Abitur gemacht haben. Dennoch gilt das Abitur weiterhin in vielen Studiengängen als Voraussetzung. Und oftmals ist der Notendurchschnitt im Abitur auch kein Hindernis, denn es gibt da ja noch einige zulassungsfreie Studiengänge.

Zunehmende Zweifel an der Studierfähigkeit

Von den Hochschulen kommen nun jedoch vermehrt Zweifel an den Fähigkeiten der Studienanfänger:innen auf. Laut Peter-André Alt, dem Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), sei ein Abitur nicht gleichzusetzen mit einer Studierfähigkeit. Gerade in den letzten Jahren habe sich herausgestellt, dass immer weniger Studierende wirklich für ein Studium geeignet seien. Laut der Konrad-Adenauer-Stiftung  seien sogar drei Viertel aller Studierenden nicht für ein Studium geeignet.

Außerdem beklagen auch zunehmend Lehrkräfte, dass ein Abitur zu einfach sei und dass mittlerweile jede:r "zum Abitur durchgewinkt" werde. Dies habe dann wiederum Konsequenzen im Studium, denn vielen Abiturient:innen würden hier dann wichtige Grundlagen und Kenntnisse fehlen.

Gravierende Mängel vor allem in Mathematik

Vor allem in Fächern, die ein mathematisches Grundverständnis voraussetzen, ließe sich mittlerweile deutlich erkennen, dass es vielen Studierenden an eben dieser Fähigkeit mangele, so Peter-André Alt. Er bezieht sich hierbei konkret auf Naturwissenschaften, Ingenieurswissenschaften sowie auch auf wirtschaftliche Studiengänge. Grundlegende Probleme betreffen aber auch weitere Studiengänge.

Denn ein mangelndes mathematisches Grundverständnis sei hierbei nicht das einzige Problem. Gerade wenn es um Textverständnis und die allgemeine Schreibfähigkeit gehe, würden Alt zufolge zunehmend Mängel und Probleme auftreten. Schuld daran könnte die voranschreitende Digitalisierung sein. Junge Menschen seien es schlichtweg nicht mehr gewohnt, längere Texte zu lesen und anschließend auch zu analysieren.

Gezielte Vorbereitung als Schlüssel zum Erfolg

Aber was kann ich als Studierende:r oder Studieninteressierte:r nun tun, um mich auf ein Studium vorzubereiten? Hier kommen die Hochschulen ins Spiel. Vonseiten der Hochschulen besteht das Angebot, gewisse, auf ein Studium vorbereitende, Vorkurse zu absolvieren. Ein Vorkurs geht zumeist zwar nur zwei Wochen, man erhält hier aber bereits einen Einblick in das Fachwissen, das auch später im Verlauf des jeweiligen Studiums vorausgesetzt wird. 

Gerade im Bereich der Mathematik ist dieses Angebot sehr gefragt, denn ob Biologie, Soziologie oder Jura – Mathematik und Statistik sind Grundlagen in sehr vielen verschiedenen Studiengängen. Studieninteressent:innen können sich bereits vor Antritt des Studiums bei ihren jeweiligen Fachbereichen zu einem der Vorkurse anmelden. Hier werden beispielsweise mathematische Brückenkurse für einige Studiengänge wie etwa Biologie, Chemie oder auch Geowissenschaften angeboten. Und dennoch gibt es weiterhin grundlegende Probleme, vor allem im Bereich der Mathematik.

Trotz Vorbereitung schlechtere Quoten

Das Angebot für studienvorbereitende Vorkurse sei zwar da und werde auch genutzt, jedoch oftmals nicht von denen, die es eigentlich am nötigsten hätten – so lautet die Kritik von Martin Oellrich, einem Mathematik-Professor an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin. Viele seiner Kolleg:innen sehen die Situation ähnlich. Zum einen würden viele Studiengänge Mathematikkenntnisse voraussetzen, zum anderen sei das Tempo, in welchem der Lehrstoff an den Universitäten vermittelt werde, weitaus schneller, als es die meisten Studierenden von ihrer Schulzeit gewohnt seien.

So komme es nun also dazu, dass die "Durchfallquoten von vorher rund 30 nun auf 50 Prozent gestiegen sind", bestätigt Dirk Andrae, ein Dozent der Freien Universität Berlin. Und da das Schulfach Mathematik allgemeinhin einen schlechten Ruf habe und oftmals gerne gemieden werde, stelle die hier aufkommende "Mathehürde" ein echtes Hindernis für viele Studierenden dar.

Studierende üben Kritik am Klassenzimmer

Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen bemängeln derweil, dass die Art und Weise, in welcher man sich in der Schule mit dem Fach Mathematik beschäftige, weit entfernt sei von den eigentlichen Ansprüchen diverser Studiengänge.

Auch über die Mathematik hinaus bekomme man in der Schule zwar viele Grundlagen mit auf den Weg gegeben – doch diese seien oftmals nicht ausreichend für ein späteres Studium. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Schulfächer bleibe hier gar nicht die Zeit, jedes Fach bis ins kleinste Detail zu besprechen und vorzubereiten. Entgegen Peter-André Alts Vermutung mangle es ihnen zumeist jedoch nicht an Willen und Ehrgeiz, um motiviert zu bleiben.

Vonseiten der Universitäten sowie vonseiten der Studierenden treffen also zwei gegensätzliche Standpunkte und Meinungen aufeinander. Versucht man, beides auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, so müssten Studieninteressierte künftig bereits während der Schulzeit gezielt auf ein Hochschulstudium und dessen Anforderungen vorbereitet werden. Denn es wurde bereits vermehrt bemängelt, dass heutzutage jede:r ein Abitur beinahe hinterhergeworfen bekomme. Lehrkräfte sowie Eltern kritisieren also, dass „schlechte“ Schüler immer weniger selektiert werden und gute Schüler dabei auch weniger gefördert werden. Hier besteht also künftig noch ein Handlungsbedarf.

Außerdem könnte auch ein didaktisches Umdenken der Hochschulen erfolgsversprechend sein, um Studierenden künftig über die Mathehürde hinweg zu helfen. Hier wäre es beispielsweise hilfreich, die Vorkurse weiter auszubauen und gleichzeitig auch noch viel mehr zu bewerben, damit weitaus mehr Studierende frühzeitig auf dieses Angebot aufmerksam werden. 

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