#Ausland | Abschied auf Portugiesisch

09.03.2019
Studium, Internationales
Lukas

Aufwachen! Mein Traum in Lissabon ist zu Ende. Die Vorlesungszeit ist vorbei. Die letzten Prüfungen sind geschrieben und nun geht’s zurück ins eiskalte Deutschland. Deswegen ist das auch mein letzter #Ausland-Blogeintrag.

Bereits im Dezember neigte sich die Vorlesungszeit an der Faculdade de Ciências Socias e Humanas (FCSH) dem Ende. Das verursachte einen rapiden Anstieg meines persönlichen Stresslevels, weil in Portugal, anders als in Deutschland, die Finalprüfungen schon vor den Weihnachtsferien liegen. Lernen für die Klausuren, Geschenke kaufen, Plätzchen backen, Plätzchen essen, den Koffer packen – Weihnachtstress auf einem ganz neuen Level.

Glühwein und Hawaiihemden

Um ein wenig in winterlich-entspannte Stimmung zu kommen, ging es deshalb auf den Weihnachtsmarkt an der Praça Marquês de Pombal. Doch statt Glühwein, Bratapfel und bunten Strickmützen begegneten mir Mitte Dezember tropische Cocktails, brasilianische Grillspezialitäten und ein Mann in Shorts und Hawaiihemd. Eine richtig weihnachtliche Atmosphäre kam in dieser Situation nicht auf. Da half auch nicht die Schlittschuhlaufbahn oder das kleine Zelt, in dem etwas Schnee für kleine Kinder ausgelegt war. Selbst "Last Christmas" als ultimativer Weihnachtsklassiker, rettete diese Veranstaltung für mich nicht mehr.

Dabei können Weihnachtsmärkte doch so einladend sein! Im Dezember, wenn es schön (!) kalt ist und sich die Leute auf dem Mainzer Weihnachtsmarkt im Schatten des Doms versammeln. Alle eingemummelt in dicken Jacken, Schals und Mützen. Wenn die Menschen wie in einer Pinguinkolonie eng beieinanderstehen, warmen Glühwein schlürfen und es an jeder Ecke nach süßem Gebäck duftet.

Auch wenn mir in 2018 kein ordentlicher Weihnachtsmarkt vergönnt war, konnte ich mich sonst während meiner Zeit in Lissabon kaum über das Wetter beschweren: Selbst im Januar, als die Temperatur in Deutschland unter den Gefrierpunkt sank, waren es in Portugal tagsüber regelmäßig 15 Grad und mehr. Die warmen Sonnenstrahlen erhellten aber nicht nur die Stadt, sondern auch die Menschen. Die leicht depressive Grundstimmung bei der morgendlichen Bahnfahrt zur Uni in Mainz habe ich in Lissabon kaum vermisst. Erst hier ist mir bewusst geworden, wie glücklich ein paar Sonnenstunden im Winter machen können!

Doch wo es in Portugal draußen angenehm mild ist, friert man sich drinnen alle Extremitäten ab. Dort haben nämlich die wenigsten Häuser eine eingebaute Heizung, sodass die Wohnungen in den Wintermonaten komplett auskühlen. Viele Portugiesen wärmen mit Elektroheizkörpern, doch das kann ganz schön teuer werden. Die Geräte ziehen ordentlich Strom, deswegen blieb meins nachts auch oft aus. Am nächsten Morgen war es dann manchmal so eisig, dass ich meinen eigenen Atem sehen konnte. Ein Iglu in Portugal.

Vergangenheit und Zukunft einer Stadt

Da es draußen meist wärmer war als drinnen, habe ich auch zum Ende meines Auslandssemesters noch viel von der Hauptstadt Portugals gesehen. Zu einem ganz besonderen Wahrzeichen haben sich inzwischen die historischen Elétricos gemausert. Die meist strahlend gelben Straßenbahnwagen wurden in den 1930er Jahren gebaut und tuckern heute immer noch lärmend durch die engen Gassen und steilen Straßen Lissabons. Der Charme aus einem anderen Jahrhundert zieht unzählige Touristen an. Wer eine Runde mit der berühmten Linie 28E fahren will, muss tagsüber daher vor allem eins: Schlange stehen. 

Der große Andrang überrascht nicht: Die Strecke zwischen Martim Moniz und Prazeres ist wirklich sehenswert und gibt Einblick in eine ungemein vielfältige Stadt: Vom multikulturellen Viertel mit vielen Restaurants durch Alfama, den alten Stadtkern Lissabons aus maurischer Zeit, am Bairro Alto, dem berühmt berüchtigten Partyviertel (inklusive Erasmus Corner) vorbei bis zur Endstation am Cemitério dos Prazeres. Der riesige Friedhof hat fast schon einen morbiden Charme mit den zahllosen überirdischen Grüften, die sich auf dem Gelände im Westen der Stadt aneinanderreihen.

Von dort aus hat man auch einen guten Blick auf zwei mysteriöse Doppelgänger: Die Ponte 25 de Abril sieht der Golden Gate Bridge bei San Francisco vor allem wegen der roten Farbe verdächtig ähnlich, wurde aber erst knapp 30 Jahre später eröffnet. Der Name der portugiesischen Brücke geht auf die Nelkenrevolution zurück, die am 25. April 1974 stattfand. Der Militärputsch verlief weitgehend friedlich und beendete die Diktatur in Portugal. Das zweite Bauwerk mit Verwechslungsgefahr ist der Cristo Rei am gegenüberliegenden Ufer. Die Christusstatue mit den ausgebreiteten Armen wurde vom Cristo Redentor inspiriert, der über Rio de Janeiro in Brasilien thront. Das Monument ist insgesamt 110 Meter hoch, 82 Meter davon misst allein der Sockel.

Im Laufe des Semesters habe ich immer wieder gemerkt, dass die Stadt mit den Touristenströmen zu kämpfen hat. Jedes Mal, wenn ich in die Linie 28E gestiegen bin, waren ein paar deutsche Urlauber dabei. Manche Miradouros werden selbst im Winter massenhaft von Touristen belagert, weil sie die perfekte Kulisse für den nächsten Instagram-Post liefern. Und dass ich im Café Pastéis de Belém, wo es die berühmten Törtchen gibt, in kein Handgemenge geraten bin, verwundert mich bis heute.

Ob Lissabon wohl bald unter dem Phänomen des Overtourism leidet? Der Gedanke an Venedig und Dubrovnik liegt nicht fern …

Wie gewonnen, so zerronnen

In Sachen Uni hat sich rückblickend ganz schön viel getan. Ich erinnere mich noch, wie ich als unwissender Erasmus-Studi in den Innenhof der FCSH gestolpert bin und mich erneut wie ein planloser Ersti gefühlt habe – und irgendwie war ich es ja auch. Neue Gesichter, unbekannte Gebäude, eine unvertraute Sprache, letztlich ein mir völlig fremdes Land.

Aber ein paar Monate später, wider Erwarten, hat sich doch ganz langsam die universitäre Alltagsroutine eingeschlichen...

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