AStA Referat für politische Bildung: Pietätloses Auftreten führt zu Rücktritt

23.11.2018
Campus-News
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Nach nur wenigen Wochen im Amt ist RCDS-Mitglied und Referent für politische Bildung Sascha Deisel aus dem AStA der JGU zurückgetreten. Grund dafür war sein "äußerst pietätloses" Verhalten am Abend des 9. November.

Mit 30 anderen Mitgliedern der Jungen Union Hessen befand sich der inzwischen ehemalige Referent für politische Bildung des AStA der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), auf einer politischen Bildungsreise in Berlin. Laut Stellungnahme der Jungen Union (JU) Hessen standen hier bundespolitische Abläufe im Mittelpunkt. Am Abend des 9. November traf sich die Gruppe in einer Berliner Kneipe, um den Abend ausklingen zu lassen. Mehrere Personen der Gruppe stimmten in diesem Zusammenhang das "Westerwaldlied" an. Die Szenerie wurde von einer unbeteiligten Anwesenden gefilmt. Der ehemalige Referent für politische Bildung ist singend und gut gelaunt im Vordergrund des Videos zu sehen. Über die Konsequenzen des Videos scheint sich zu diesem Zeitpunkt niemand der Gefilmten bewusst zu sein. Das Video wurde am 11. November von Redakteuren des tagesspiegel über Twitter publik gemacht und die Vorkommnisse so Teil der öffentlichen Berichterstattung. Daraufhin berichteten weitere, auch internationale Medien über den Vorfall. Neben der Gesangseinlage stehen außerdem Vorwürfe homophober Äußerungen im Raum, die die Gruppe getätigt haben soll.

Warum besitzt der Vorfall eine solche Brisanz?

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fanden die sogenannten Novemberpogrome statt. Die Nationalsozialisten ermordeten mehrere hundert Juden und zerstörten tausende jüdische Geschäfte, Synagogen, Friedhöfe und Wohnungen. Diese Ereignisse markieren den Übergang zur systematischen Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus. Auch heute noch finden im ganzen Land Trauerbekundungen statt, um der Opfer zu gedenken und einen verantwortungsvollen Umgang mit der Geschichte und auch der Gegenwart zu mahnen. 2018 jährte sich der Tag zum 80. Mal.

Das Westerwaldlied wurde 1932 vom Freiwilligen Arbeitsdienst ohne militärischen Zusammenhang geschrieben. Allerdings ist es aufgrund seiner Marschtauglichkeit immer wieder im militärischen Kontext gesungen worden, sowohl von der Wehrmacht, als auch bis 2017 von der Bundeswehr.

Reaktionen & Konsequenzen

Die JuSo-Hochschulgruppe forderte am 12. November den Rücktritt des Referenten: "Wir verurteilen das Singen des Westerwaldliedes und im gleichen Rahmen gefallene homophobe Äußerungen. Das Westerwaldlied wurde während des Zweiten Weltkrieges bei der Besetzung der westeuropäischen Länder durch die Wehrmacht gesungen. Dieses Lied heute noch zu singen und dies auch noch am Abend des 9. November zu tun, empfinden wir als geschichtsvergessen und nicht mit dem Amt des Referenten für politische Bildung vereinbar." Dieser Forderung sei das RCDS-Mitglied am 14. November nachgekommen. 

Die Absetzung des Referenten wurde durch die Luhmann Hochschulgruppe am 14. November vom AStA gefordert. Außerdem fordert die Gruppe eine gemeinsame Stellungnahme des AStA. Diese blieb bis dato aus.

Der RCDS schreibt in seiner offiziellen Stellungnahme am 15. November, "dass das Geschehen am Jahrestag der Reichspogromnacht äußerst pietätlos ist. Diesen unbedachten Fehltritt bedauert das entsprechende Gruppenmitglied ausdrücklich und ist deshalb im Einvernehmen mit unseren Koalitionspartnern von seinem Amt als Referent für politische Bildung zurückgetreten." Außerdem distanziere sich das Mitglied sowie die gesamte Gruppe "von etwaig getätigten homophoben Äußerungen und Pöbeleien." Ob das Verhalten weitere Konsequenzen für das Mitglied haben werde, stehe noch nicht fest.

Die Junge Union Hessen verspricht in ihrer Stellungnahme "die Vorgänge aufzuklären und aufzuarbeiten." Ein angemessenes und verantwortungsbewusstes Auftreten der Mitglieder und Funktionäre sei dem Landesvorstand wichtig.

In der medialen Öffentlichkeit, sowohl in sozialen Medien als auch in der Tagespresse, entbrannte eine Debatte um die Bewertung des Westerwaldliedes. Es sei zwar von der Wehrmacht beim Einzug und der Annexion anderer Länder gesungen worden, gleichzeitig gelte es insbesondere in der Region des Westerwalds als Volkslied. 2017 wurde die Herausgabe eines Bundeswehr-Liederbuchs durch das Verteidigungsministerium gestoppt und unter anderem das Westerwaldlied mit der Begründung entfernt, dass es in der NS-Zeit als Ausdruck nationalsozialistischer Überhöhung missbraucht wurde. 

Referat für politische Bildung im Fokus der Aufmerksamkeit

Das Referat für politische Bildung und deren Referenten stehen zum wiederholten Mal im Fokus der Aufmerksamkeit. Erst im Juni war einer von Deisels Vorgängern im Rahmen der Organisation eines umstrittenen Vortrags zurückgetreten.

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