AStA bemängelt Finanzhilfen des Bundes für Studierende

23.06.2020
Campus-News, Studium
lki

Der Bund plant, einen Teil der Überbrückungshilfen für Studierende vom Kontostand abhängig zu machen. Diese und andere Maßnahmen kritisiert der AStA der JGU Mainz als unzureichend.

Vor wenigen Wochen hatte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek (CDU), neben einer Aufhebung der Zinsen für die Studienkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau für ein Jahr auch einen Hilfsfonds in Höhe von 100 Millionen Euro angekündigt. Diese Maßnahmen sollen nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Not geratene Studierende finanziell unterstützen.

Je mehr Ersparnisse, desto weniger Förderung

Aktuelle Gesetzesentwürfe machen jedoch die Förderung durch diesen Nothilfefonds vom Kontostand der Bedürftigen abhängig und beziffern die Maximalförderung auf 500 Euro pro Monat bei einem Kontostand unter 100 Euro. Wer dagegen noch knapp 200 Euro aufweisen kann, wird mit 300 Euro unterstützt. Nur wessen Erspartes bei knapp unter 500 Euro liegt, darf mit 100 Euro vom Staat rechnen. Studierende, die mehr als 500 Euro angespart haben, können die Soforthilfen nicht beanspruchen. 

Seit dem 16. Juni 2020 können Studierende in pandemiebedingter Notlage nun die seit Mai angekündigten nicht rückzahlbaren Zuschüsse von bis zu 500 Euro monatlich online beantragen. Entscheidend ist der Kontostand am Vortag der Antragstellung.

Vorerst ist die Überbrückungshilfe nur für die Monate Juni, Juli und August vorgesehen. Einen Antrag müsse man spätestens bis zum letzten Tag eines Monats stellen, rückwirkend kann für diesen Monat anschließend keine Hilfe ausbezahlt werden. Über das Portal des Deutschen Studentenwerks (DSW) werden die gestellten Anträge automatisch an das für sie zuständige Studierendenwerk weitergeleitet, wobei diese erst ab dem 25. Juni 2020 von den 57 im DSW organisierten Studierendenwerken bearbeitet und ausgezahlt würden.

Der (Start-)Schuss gegen Bundes- und Landesregierung

Der AStA wendet sich derzeit lautstark gegen dieses Vorhaben, u.a. weil 500 Euro nicht zur Deckung der Lebenshaltungskosten reichen würden, und unterstützt stattdessen z.B. die Ausweitung des BAföGs für alle Studierenden, die wegen der Corona-Pandemie ihren Job verloren haben.

Bereits in seinem offenen Brief an die Landesregierung (campus-mainz.net berichtete) und die Bundesregierung (campus-mainz.net berichtete) hat der AStA in den vergangenen Monaten mehr finanzielle Unterstützung für Studierende gefordert.

Laut BMBF stehen zur längerfristigen Unterstützung nicht nur das BAföG, sondern auch der Studienkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vorübergehend ohne Zinsen zur Verfügung. Das KfW-Darlehen von maximal 650 Euro im Monat muss jedoch später vollständig zurückgezahlt werden und ist nur bis zum 31. März 2021 zinsfrei, was der AStA scharf kritisiert (campus-mainz.net berichtete).

"Völliges Versagen der Bildungsministerin"

In einer Pressemitteilung vom 5. Juni 2020 wirft der AStA der Bildungsministerin "völliges Versagen" vor. Ihre Corona-Nothilfen würden keine Lösung für die unzähligen Studierenden in finanzieller Not darstellen, sondern seien "grotesk". Weder mit der kürzlich konkretisierten Aufstockung auf 500 Euro würden Betroffene sich über Wasser halten können noch sei Studierenden mit Krediten in Höhe von 650 Euro geholfen. Insbesondere in der Landeshauptstadt Mainz, wo verhältnismäßig hohe Mieten anfallen (campus-mainz.net berichtete), reichen die Maßnahmen des BMBF schlicht nicht aus, bemängelt AStA-Pressereferentin Elisa Kautzky.

Demonstration gibt Studierenden in Not eine Stimme

"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut", tönt es am 8. Juni 2020 um 11 Uhr vom Ernst-Ludwig-Platz in Mainz. Dort demonstriert der AStA gegen die Bedingungen des BMBF zur finanziellen Unterstützung Studierender: "500 Euro reichen vielleicht im Wunderland" steht auf einer der braunen Papiertüten, die den Abstand zwischen den Demonstrierenden gewährleisten sollen. Solche Sprüche sollen auf den existenziellen Missstand anspielen, dem die meisten Studierenden aufgrund fehlender Einkünfte und wegen wegbrechender Nebentätigkeiten ausgesetzt sind. 

"Es grenzt an blanken Hohn, sowas als tatsächlich sinnvolle Hilfe für Studierende verkaufen zu wollen", kommentiert Johannes Maurer vom Arbeitsbereich für Hochschulpolitik des Mainzer AStA die vom BMBF bewilligten Darlehen und nicht rückzahlbaren Zuschüsse. Mit dieser bundesweiten Protestaktion setze man ein Zeichen und fordere die Solidarität von Gesellschaft und Bundespolitik ein, ist sich Maurer sicher. Es sei an der Zeit, die Stimmen der Studierendenvertretungen wahrzunehmen und v.a. ernst zu nehmen.

Bundesweite Kritik aus der Studierendenschaft

Mit seiner Demonstration auf dem Ernst-Ludwig-Platz war der AStA allerdings nicht allein: Die bundesweite Studierendenvertretung freier zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) hat in einer Pressemitteilung vom 5. Juni 2020 die bundesweiten Studierendenproteste in elf Städten am 8. Juni 2020 vor den Landesparlamenten und Wissenschaftsministerien angekündigt. Den dezentralen Kundgebungen folgte am 20. Juni eine zentrale Demonstration in Berlin zum gleichen Anliegen.

Durch die Demonstrationen erhoffen sich die Studierendenvertretungen, von der Bundesregierung erhört zu werden, um "das Versagen der Ministerin wettzumachen". Denn diese würden auf die aktuelle Notlage Studierender nur "mit einer winzigen Wasserpistole" reagieren, so Simone Mangold, Vorsitzende des AStA der Universität Landau, in einer Pressemitteilung der LAK Rheinland-Pfalz vom 5. Juni 2020.

Raffael Plum, Sprecher der LAK Rheinland-Pfalz, betont, dass nun diejenigen bestraft würden, die sich in der Krise "mühsam ein paar Hundert Euro zur Finanzierung angespart" hätten, denn diese gehen leer aus und können die Zuschüsse des BMBF nicht für sich beanspruchen. Ihm scheint es, als würden Studienabbrüche "billigend in Kauf genommen werden", und dem AStA zufolge "bleibt das BMBF bei seiner repressiven Linie", die Forderungen der Studierendenschaften zu übergehen.

Darüber hinaus stehen mehr als die schnellen Finanzhilfen im Vordergrund. So müsse laut Amanda Steinmaus vom fzs grundsätzlich "die Studienfinanzierung in Deutschland reformiert werden, um die drastische Bildungsungerechtigkeit, die sich durch die Corona-Krise gerade noch einmal verschärft hat, auszugleichen." Studierende dürften durch die KfW-Kredite nicht in die Schuldenfalle getrieben werden oder ihr Studium aufgrund existenzieller Nöte aufgeben. "Die Bundesbildungsministerin bietet als Soforthilfe einen Kredit an, damit stellt sie Studierende vor die Wahl – Studienabbruch oder Überschuldung", so Steinmaus' Stellungnahme laut dem Onlinemagazin ze.tt. Schließlich fange Bedürftigkeit nicht beim Kontostand an, appelliert sie in einem Interview mit der Tagesschau am 8. Juni. Für diejenigen, die ihr Studium infolgedessen bereits aufgegeben haben, müsse es künftig Hilfsangebote geben, die die Rückkehr zum Studium ermöglichen.

Proteststimmen aus der Politik

Auch auf Seiten der Politik gibt es Gegenstimmen zu Karliczeks Reaktion auf die finanziellen Nöte vieler Studierenden. In einem offenen Protestbrief vom 8. Juni 2020 bezeichnen die Bundestagsabgeordneten der Linken, Nicole Gohlke, Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali, die aktuelle Notlage als "Bildungskatastrophe". Kritisiert wird v.a. die Abwehrhaltung Karliczeks zur Öffnung des BAföGs für in Not geratene Studierende (campus-mainz.net berichtete). Für eine solche Öffnung haben u.a. auch der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Prof. Dr. Konrad Wolf und Studienverbände plädiert. Indem Investitionen in den Bereichen Forschung und Bildung ausbleiben und die finanziellen Hürden für einen Studienbeginn ansteigen, fördere Karliczek dem Protestbrief zufolge "die in jedem PISA-Bericht herausgestellte hohe soziale Selektivität im deutschen Bildungswesen noch weiter in Richtung eines Zweiklassenstudiums".

In einer Pressemitteilung des BMBF vom 15. Juni 2020 rechtfertigt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des DSW, wiederum die verzögerte Beantragung der Zuschüsse: "Wir sind uns mehr als bewusst, dass viele Studierende akut finanzielle Hilfe benötigen und diese eher erwartet haben. Aber es handelt sich um ein ambitioniertes Projekt. Wir mussten in wenigen Wochen ein völlig neues online-gestütztes Förderverfahren für die bundeseinheitliche Überbrückungshilfe entwickeln." Zwar sei dem DSW wichtig, dass die Hilfen für Juni beantragt werden können, allerdings sei eine Auszahlung erst ab dem 25. Juni möglich, da das Online-Portal noch programmiert werden müsse.

"Isst du noch oder studierst du schon?"

Für Johannes Maurer des Mainzer AStA kommen die Hilfsangebote dennoch viel zu spät: "In vielen Uni-Städten kann man von 500 Euro kaum seine Miete bezahlen und essen muss man ja auch etwas", gab er auf der Demonstration am 8. Juni zu bedenken. Dort wurde u.a. auch die Frage "Isst du noch oder studierst du schon?" auf einem der Protestschilder aufgeworfen. 

Insbesondere vor dem Hintergrund des gerade geschnürten milliardenschweren Konjunkturpakets, das bundesweit verschiedene Branchen unterstützen soll, könne Maurer nicht verstehen, dass für Studierende so wenig Geld zur Verfügung stehe. Karliczek sieht das in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung am 17. Juni 2020 anders: "Wir reden jetzt immer über die ganz großen Milliardensummen. Aber auch 100 Millionen Euro sind richtig viel Geld." Amanda Steinmaus vom fzs findet diese Rechtfertigung alles andere als ausreichend: "Wenn man aber 100 Millionen Euro ins Verhältnis setzt mit einer Million bedürftiger Studierender, kommt man auf einen Betrag von 100 Euro pro Person." Es sei insgesamt überaus fraglich, wie viele Studierenden den bald fälligen Semesterbeitrag von über 300 Euro bewerkstelligen sollen.

Auf Anfrage beim Arbeitsbereich für Hochschulpolitik des Mainzer AStA heißt es, dass es im Anschluss an die Demonstration vor dem Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (MWWK) zwar kein Gespräch mit Wissenschaftsminister Wolf gegeben habe, dafür habe man sich mit Staatssekretär Dr. Denis Alt treffen können. Größtenteils ging es um die finanzielle Notlage Studierender, deren Bedenken "wahrgenommen und in weiten Teilen geteilt" wurden. Allerdings sehe sich die Landespolitik beim Thema Ausbildungsförderung nicht in der Verantwortung, denn diese liege nach wie vor beim Bund. Dementsprechend stünden "keine finanziellen Spielräume für die Unterstützung Studierender aus Landesmitteln" in Aussicht. Das MWWK habe dem AStA erläutert, dass man Studierende nur dann aus Landesmitteln unterstützen könne, wenn man das Problem in der Bundespolitik adressiere.

Für Johannes Maurer ist an diesem Punkt noch keinesfalls Schluss, denn das Thema müsse auch künftig im Auge behalten werden. Dennoch sieht er die bundesweite Protestaktion als prinzipiell erfolgreich an, da überregional über die Protestaktion berichtet wurde. Insbesondere durch diese Berichterstattung erhofft sich Maurer, dass "der Druck auf das BMFB steigt und doch noch was passiert."

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