Schwere finanzielle Lage für Student:innen in Frauenhäusern

21.04.2021
Studium
hb

Sind Frauen von häuslicher Gewalt betroffen, finden sie Hilfe in Frauenhäusern. Für Student:innen ist diese Hilfe in den meisten Bundesländern mit hohen Kosten verbunden.

Jede vierte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer körperlicher und sexueller Gewalt in einer Beziehung – unabhängig von ihrer sozialen Schicht. Das ergab eine Erhebung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundeskriminalamts. 2019 wurden der Polizei rund 115 000 Fälle von häuslicher Gewalt an Frauen gemeldet. Die Dunkelziffer der tatsächlichen Fälle bleibt offen. 

Eine Studie der TU München und des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung berichtet, dass im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 rund drei Prozent der Frauen in Deutschland körperliche Gewalt erfahren haben. Zahlen, die den neuen Lockdown seit November 2020 einschließen, liegen noch nicht vor. Hintergründe, Folgen und Auswege aus der Situation, u. a. auch für Student:innen, werden in einer gemeinsamen Kooperation von CORRECTIV.Lokal und Campus Mainz beleuchtet.

Frauenhäuser als Anlaufstelle für Hilfesuchende

In Frauenhäusern finden hilfesuchende Frauen zusammen mit ihren Kindern eine Unterkunft sowie Beratungsmöglichkeiten, um anonym ein neues Leben außerhalb der Reichweite des gewalttätigen (Ex-)Partners bzw. der gewalttätigen (Ex-)Partnerin zu beginnen. Deutschlandweit gibt es 360 Frauenhäuser, 17 davon befinden sich in Rheinland-Pfalz. Dort stehen 286 Plätze für Frauen und Kinder zur Verfügung. 

Johanna Thie von der Diakonie Deutschland bemängelt, dass bundesweit viele Frauenhäuser kaum noch freie Plätze zur Verfügung hätten. Der Verein Frauenhauskoordinierung e.V. prangert konkret an, dass bundesweit 14 000 Plätze in Frauenhäusern fehlen, um der Istanbul-Konvention gerecht zu werden. In Rheinland-Pfalz seien die Frauenhäuser bereits in den Jahren 2017/18 voll besetzt gewesen. 
2019 war laut Konferenz der Frauenhäuser Rheinland-Pfalz an 90 Tagen kein freier Platz zur Verfügung. 

Finanzierung stellt Studentinnen vor Probleme

Die Kosten für einen Aufenthalt im Frauenhaus sind in der Regel von den Betroffenen selbst zu tragen, können aber bei Geldnot in Rheinland-Pfalz auch über Leistungsansprüche nach dem Sozialgesetzbuch finanziert werden. Das Sozialgesetzbuch sichert die Grundsicherung für Arbeitslose und entscheidet u. a. über den Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Studierende und Auszubildende besitzen jedoch keinen Anspruch auf diese Förderung, da ihnen finanzielle Unterstützung bereits durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zugesprochen wird (§7, Abs. 5). Damit müssen sie die Kosten für den Aufenthalt in jedem Fall selbst übernehmen. Die Frauenhäuser selbst sind auf die Finanzierung durch die Bewohnerinnen, sowie durch die jeweiligen Länder und Kommunen angewiesen

Auf Rückfrage von campus-mainz.net meldete sich eine Studentin, die als Kind mit ihrer Mutter in zwei Frauenhäusern in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen Unterschlupf fand. Sie sei "schockiert" davon, dass Studierende einen Aufenthalt selbst finanzieren müssen, da für sie und ihre Familie "die Zeit im Frauenhaus notwendig" gewesen sei und das Leben ohne den Aufenthalt "unglaublich schwierig" geworden wäre. Für sie sei die Situation in Rheinland-Pfalz für Studierende "total fahrlässig".

Alternativen für Student:innen

In Mainz gibt es mit dem Frauennotruf e.V. eine Fachstelle zur Hilfe bei sexualisierter Gewalt. Diese bietet nicht nur Hilfe für weiblich gelesene Personen. Mitarbeiterin Sabine Wollstädter versichert, dass dort auch für trans*, inter* und nicht-binäre Personen Hilfe angeboten wird. Auch Menschen mit Behinderung oder einem Migrationshintergrund, sowie Männer können sich dorthin wenden.

Der Frauennotruf e.V. bietet vertrauliche und kostenlose telefonische und schriftliche Beratungen an. Er unterstützt Betroffene im Umgang mit der jeweiligen Situation über psychotherapeutische Beratung, Rechtsberatung und Beistand bei Polizei- oder Gerichtsbesuchen.

Frauen mit Migrationshintergrund können sich zusätzlich an die Mainzer Fachberatungsstelle von SOLWODI e.V. wenden. Für Frauen bis 27 Jahre ist das Mädchenhaus Mainz ein zentraler Ansprechpartner. Bis zum 21. Lebensjahr kann auch dort eine Unterbringungsmöglichkeit gefunden werden. 

Frauen über 21 Jahren können in den 15 Einzelwohneinheiten und zwei Mutter-Kind-Zimmern des "Wendepunkt Haus für Frauen in Wohnungsnot" der Evangelischen Mission Leben Unterbringungsmöglichkeiten finden. Dort gibt es auch kurzfristige Notunterbringungen und ein Angebot für betreutes Wohnen

Eine Übersicht über die Beratungsstellen in Mainz findet sich auf der Website des Frauennotruf Mainz e.V. 

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation von campus-mainz.net mit CORRECTIV.Lokal, einem Netzwerk für Lokaljournalismus, das datengetriebene und investigative Recherchen gemeinsam mit Lokalredaktionen umsetzt. CORRECTIV.Lokal ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV, das sich durch Spenden von Bürgern und Stiftungen finanziert. Mehr unter correctiv.org/haeusliche-gewalt

Campus Mainz e.V. unterstützen!

Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!