Frauenbibliothek: Abschottung oder Rückzugsort?

03.11.2017
Freizeit, Studium
bb & lmc

Über die Frauenbibliothek erregen sich die Gemüter. RCDS und LHG halten sie für "unsinnig", das AlleFrauenReferat hält dagegen. Was ist eigentlich die Idee hinter der – vielen Studierenden unbekannten – Bibliothek?

 

Feminismus und Frauenförderung bleiben kontroverse Themen. Zu beobachten ist das an den Diskussionen über die Frauenbibliothek, die vom AlleFrauenReferats an der Uni Mainz betrieben wird. So wurde etwa auf Facebook von einigen Nutzern Unmut darüber geäußert, dass die Bibliothek auch mit den Geldern von männlichen Studierenden finanziert wird, obwohl diese die Örtlichkeiten nicht nutzen könnten. Werden hier also Männer diskriminiert? Und was hat es eigentlich generell mit der Frauenbib auf sich?

Bibliothek und Safe Space

Die Frauenbibliothek gibt es bereits seit über 35 Jahren. Sie ist ein studentisches Projekt des autonomen AlleFrauenReferats. Wie alle autonomen Referate des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) wird das AlleFrauenReferat durch den Semesterbeitrag der Studierenden finanziert. Ins Leben gerufen wurde die Frauenbibliothek, um einen Ort zu schaffen, an dem sich Frauen, und mittlerweile auch Trans- und Interpersonen, begegnen und austauschen können.

Die Bibliothek befindet sich in zwei Räumen im Kellergeschoss des Philosophicums und führt Literatur zu den Themen Feminismus, Frauen- und Geschlechterforschung. Der Name "Frauenbibliothek" suggeriert, dass Frauen hier Vorrang haben. Dies trifft in einem gewissen Maße zu, da sich die Bibliothek in ihrer Funktion als Safe Space (Schutzraum) vor Diskriminierung und Sexismus ausschließlich an Frauen, Lesben, Trans- und Interpersonen (FLTI) richtet.

Den Bestand an Literatur können aber auch Männer nutzen. Die Bibliothek verfügt über einen eigenen Online-Katalog, über den Bücher ausgewählt und dann per Mail bestellt werden können. Das bedeutet, dass Männer die Bibliothek regulär nicht betreten dürfen. Jedoch ist es möglich, dass Männer außerhalb der Öffnungszeiten der Bibliothek die Räumlichkeiten zur Recherche nutzen können.

Unter den politischen Hochschulgruppen umstritten

Unter den politischen Hochschulgruppen an der Uni Mainz ist das Projekt umstritten. Kritische Stimmen kommen insbesondere aus den Reihen der Hochschulgruppe Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS), die das Konzept der Frauenbibliothek "unsinnig" finden.

Auch die Liberale Hochschulgruppe Mainz (LHG) stellt die Idee in Frage. Es sei nicht ersichtlich, wie Frauen in den anderen Bibliotheken der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) diskriminiert würden. Im Gegenteil – die Existenz einer Frauenbibliothek, die männlichen Studierenden nicht frei zugänglich ist, grenze ebendiese aus.

Weitergehend kritisiert die LHG, dass die Frauenbibliothek "veraltete Feindbilder" bediene. Sie leiste damit keinen Beitrag zu einer Diskussion, der Austausch mit dem Rest der Studierendenschaft finde nicht statt. Der RCDS sieht die Frauen ebenfalls in eine "Opferrolle" gedrängt, was wiederrum keinen Dialog möglich mache.

Die Verantwortlichen der Frauenbibliothek halten dagegen: Frauen, Lesben, Inter- und Transpersonen seien nach wie vor "strukturell eher und mehrfach" von Diskriminierung betroffen. Die Frauenbibliothek werde daher in ihrer Funktion als Rückzugsort auf dem Campus weiter gebraucht. Dies bedeute jedoch nicht, dass Männer niemals Opfer von Gewalt und Diskriminierung würden.

Auch die Hochschulgruppe Linke Liste hält die Frauenbibliothek in dieser Funktion für wichtig: Schließlich gebe es auch an der Universität Sexismus und Diskriminierung gegenüber Frauen sowie gegenüber Lesben, inter- und transsexuellen Personen. Die Juso-Hochschulgruppe lobt, dass das AlleFrauenReferat das ihm zur Verfügung gestellte Geld in "den Unterhalt und die Erweiterung einer sehr umfangreichen Bibliothek investiert."

RCDS und LHG kritisieren dagegen, die Frauenbibliothek diskriminiere Männer. Schließlich werde sie aus den Semesterbeiträgen – auch männlicher Studierenden – finanziert. Der RCDS bemängelt, dass dies "einem sparsamen Umgang mit dem Geld der Studenten" widerspreche. Die Verantwortlichen der Frauenbibliothek verweisen im Zusammenhang mit dieser Kritik auf das Subsidaritätsprinzip.

"Niemand würde auf die Idee kommen, das Behindertenreferat zu behelligen"

Das Subsidaritätsprinzip gilt in verschiedenen Bereichen von Politik und Wirtschaft und besagt, dass eine Aufgabe soweit wie möglich von der unteren Ebene bzw. kleineren Einheit wahrgenommen werden soll. Dies ist allerdings auch mit der Forderung verbunden, dass eine höhere Instanz die Interessen von einzelnen Gruppen so stärken soll, dass sie in der Lage sind, für ihre Rechte und Interessen einzutreten.

Bezogen auf die Referate des AStA bedeutet das, dass das AlleFrauenReferat Geld vom AStA erhält, um sich unabhängig für die Interessen und Rechte von FLTI einzusetzen. Genauso erhalten das Schwulenreferat, das Behindertenreferat und das Elternreferat Geld, um sich für die Belange der jeweiligen Gruppe stark zu machen. "Niemand würde auf die Idee kommen, das Behindertenreferat zu behelligen, nur weil man selbst als Person ohne Behinderung nicht von dem Referat profitiert", geben die Verantwortlichen der Frauenbibliothek zu bedenken.

Öffnung für alle?

Während der RCDS trotz aller Kritik die Autonomie des AlleFrauenReferats anerkennt, fordert die LHG konkrete Schritte. Die Gruppe spricht sich für eine Öffnung der Frauenbibliothek für alle Menschen auf dem Campus und die Überprüfung der "großzügigen Finanzierung" der Einrichtung aus.

Die Frauenbibliothek plädiert hingegen dafür, die Auseinandersetzung mit Genderthemen weiter zu stärken und dafür ein Genderkompetenzzentrum einzurichten. Dieses soll sich am ehemaligen Kompetenzzentrum der Humboldtuniversität zu Berlin orientieren. Frauen- und Gleichstellungsarbeit sollen essentielle Bestandteile des Projekts sein, in der die Bibliothek für Frauen als ein Baustein fungiere und zur Forschung beitrage.

Mangelnde Öffentlichkeitsarbeit: Die Frauenbibliothek soll bekannter werden

Konsens zwischen den Gruppen besteht darin, dass die Öffentlichkeitsarbeit für die Frauenbibliothek verbesserungswürdig ist. Mangelnde Beschilderung und Bewerbung führten dazu, dass die Frauenbibliothek vielen Studierenden unbekannt sei und somit nur wenige Studierende vom literarischen Angebot profitieren könnten. Die Verantwortlichen haben sich daher das Ziel gesetzt, die Frauenbibliothek bekannter zu machen, damit mehr Menschen ihren Literaturbestand und mehr Frauen, Lesben, Trans- und Interpersonen die Bibliothek als Rückzugsort nutzen können.

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