Theaterkritik | Hochzeit

01.05.2017
Freizeit
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Eine Hochzeit ist für viele Menschen ein besonderer Tag in ihrem Leben. Ein tiefes Zeichen der Liebe und Verbundenheit. Ein Versprechen, das man einander gibt, auf immer und ewig, in guten wie in schlechten Zeiten. Die spartenübergreifende Produktion Hochzeit (UA) beschäftigt sich thematisch mit eben diesem wichtigen Lebensereignis.

Tanz trifft Schauspiel

Als Choreografen konnten Koen Augustijnen, der am Staatstheater bereits durch den Tanzabend Sehnsucht. Limited Edition bekannt ist, und Rosalba Torres Guerrero gewonnen werden. Den besonderen Reiz der Produktion macht dabei die Tatsache aus, dass die Choreografen gemeinsam mit 19 Tänzerinnen und Tänzern der Company tanzmainz am Staatstheater und fünf Schauspielerinnen und Schauspielern des Ensembles ein ambitioniertes Ziel verfolgen: die Grenzen der beiden Disziplinen Schauspiel und Tanz zu vermischen. Es sind sowohl Schauspieler in den Tanzszenen, als auch Tänzer in den Szenen der Schauspieler beteiligt oder bekommen eigene Spielmomente. 

Eine weitere Besonderheit: das komplette Stück entstand während der Probenphase. Als Material für Spielszenen wurden unter anderem Texte aus unterschiedlichen Filmen verarbeitet (beispielsweise aus Melancholia von Lars von Trier) – die Festlegung der Tanzszenen erfolgte größtenteils durch mitgefilmte Improvisationen. Aus diesen Materialbergen wählten die Choreografen während des Probenprozesses passende Szenen für das Stück aus und legten die Reihenfolge der einzelnen Elemente fest. Nach drei Monaten Probenzeit feierte Hochzeit (UA) am 29. April Premiere.

Unterstützt wird die Produktion von der Mainzer Band Vibes, die im hinteren Bühnenteil den ganzen Abend über für Livemusik unterschiedlichster Stile sorgt: neben einfühlsamen Balladen oder Hildegard Knefs Für mich soll’s rote Rosen regnen gibt es ukrainische Hochzeitsmusik und “folkloristische Elemente“ aus den unterschiedlichen Kulturen der international aufgestellten Tanzcompany. Den Gesang übernimmt die Tänzerin Gili Goverman – zusätzlich zu ihren Tanzparts.

Eine Hochzeitsfeier, viele Paare

Die Rahmenhandlung bildet eine Hochzeitsfeier, bei der man in einer der ersten Szenen als Theaterzuschauer eingebunden und als Gast angesprochen wird, während das Licht im Saal (noch) brennt. Nach dieser simultan choreografierten Begrüßungsszene wird es dunkel und die Hochzeitsfeier beginnt. Hierbei kann man zeitlich den ersten Teil des Abends in der eigentlichen Zeremonie verorten, während nach der Pause die inoffizielle Feier im Vordergrund steht.

Auf die Frage, ob es sich nur um das eine Hochzeitspaar drehe, antwortet Choreograf Koen Augustijnen im Programmheft: “Nein, damit spielen wir ein bisschen, es gibt verschiedene Paare.“ Tatsächlich gibt es unter den Hochzeitsgästen mehrere Pärchen, die jeweils ihre eigenen Geschichten rund um Liebe, Ehe, Betrug und Vertrauensbrüche erzählen. 

Natürlich wird auf einer Hochzeitsfeier getanzt, das Repertoire reicht an diesem Abend jedoch weit über den klassischen Hochzeitswalzer hinaus, den man als Zuschauer erwarten mag. Die Company tanzmainz ist bekannt für ihre moderne Ausrichtung mit dem Schwerpunkt auf zeitgenössischen Tanzrichtungen. Die Tanzszenen sind häufig simultan konzipiert, das bedeutet, dass gleichzeitig mehrere unterschiedliche Dinge auf der Bühne passieren. Man muss sich also oft entscheiden, wo man hinschaut. Es gibt viele Gruppentänze, an unterschiedlichen Stellen bekommt jedoch jeder einzelne Beteiligte einen Fokus.

Oft sind die Tänzer auch während der Spielszenen im Hintergrund anwesend und unterstreichen die Texte der Schauspieler. So tanzt John Wannehag etwa ein anrührendes Solo, während Andrea Quirbach in einem Monolog über eine verflossene Liebe spricht. Dabei unterstützen sich beide, statt voneinander abzulenken – eine Ergänzung, die in der Produktion Hochzeit (UA) mehrfach und auf eindrucksvolle Weise demonstriert wird.  

Zahlreiche Gäste, ein sehenswertes Gesamtkunstwerk

Der Abend ist opulent, es gelingt kaum, jedes Detail auf der Bühne wahrzunehmen und zu erfassen. Neben der Livemusik der Vibes, die dem Abend musikalisch eine besondere Note verleiht, gibt es viele weitere Gäste: darunter die Akrobatin Petra Quednau oder Bodybuilder Pascal Meister, die zeitweise für eine bezaubernde Zirkusatmosphäre sorgen. 

Sehen kann man die spartenübergreifende Produktion nur eine begrenzte Zeit lang: es gibt insgesamt zehn Termine im Mai und Juni. Die letzte Vorstellung findet am 22. Juni statt. Der Abend dauert 2 Stunden und 40 Minuten (inkl. Pause).

Studierende können dank einer Kooperation zwischen dem Mainzer Staatstheater und AStA bis zu drei Tage vor der Vorstellung kostenlos Restkarten an der Theaterkasse bekommen.  

Diese Chance sollte nicht ungenutzt bleiben, denn der Abend ist nicht nur höchst unterhaltsam, sondern auch stellenweise tief berührend. 

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